Schiffsunglück in Russland:Havarie auf der Wolga - mehr als 100 Tote

Ein Ausflugsschiff mit knapp 200 Passagieren an Bord ist auf der Wolga in Russland gesunken. Während die Hoffnung schwindet, noch Überlebende zu finden, bergen Taucher immer mehr Tote, darunter viele Kinder. Hatte der Kapitän zu viele Personen an Bord?

Nach der schweren Schiffskatastrophe mit vermutlich etwa 110 Toten auf der Wolga bergen Taucher immer mehr Leichen. Unter den Toten sind nach Angaben der Bergungskräfte etwa 30 Kinder. Eine Vielzahl der Leichen sei am Morgen im Inneren des Schiffswracks gefunden worden - in den Kajüten, aber auch im Restaurant und in der Bar des Ausflugsschiffs Bulgarija. Das teilte der russische Zivilschutz nach Angaben der Agentur Interfax mit.

Schiffsunglück auf der Wolga

Die Karte zeigt, wo das Ausflugsschiff Bulgarija am Sonntag sank. Klicken Sie in das Bild, um die Graphik zu vergrößern. 

(Foto: dpa)

Am Sonntag konnten etwa 80 der mehr als 180 Menschen an Bord gerettet werden. Die Behörden haben jedoch kaum mehr Hoffnung, weitere Überlebende zu finden. Die Chancen seien laut Zivilschutzministerium minimal. Unter den Toten seien besonders viele Kinder, die sich vor dem Untergang der Bulgarija in einem Raum zum Feiern versammelt hatten, sagten Überlebende im russischen Staatsfernsehen. Etwa 100 Taucher setzten am Montag die Bergung der Leichen fort.

Das Unglück geschah etwa 80 Kilometer flussabwärts von Kasan, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tatarstan, in der Nähe der städtischen Siedlung Kuibyschewskij Saton. Das 55 Jahre alte Schiff Bulgarija befand sich auf einem zweitägigen Ausflug und war am Sonntagnachmittag bei einem Unwetter havariert.

Zu diesem Zeitpunkt herrschte Sturmwetter, die Wellen schlugen nach Darstellung von Augenzeugen zwei Meter hoch. Das Schiff sank binnen weniger Minuten. An der Unglücksstelle ist die Wolga zum Kuibyschewer Stausee aufgestaut und etwa 20 Meter tief. Taucher suchten die ganze Nacht hindurch bei extrem schlechter Sicht im Wasser von weniger als einem Meter nach Opfern des Unglücks.

Viele der Überlebenden, die in Kasan versorgt wurden, weinten vor Trauer und Wut und gaben den Schiffseigentümern die Schuld an der Tragödie. Kremlchef Dmitrij Medwedjew äußerte sich bestürzt und sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.

Der Präsident der Teilrepublik Tatarstan, Rustam Minnichanow, sagte, dass 196 Menschen an Bord gewesen seien. Demnach gab es Reisende, die nicht auf der Passagierliste standen. Zunächst gingen Ermittler davon aus, dass der Kapitän zu viele Passagiere an Bord gelassen und die Wettervorhersagen missachtet hatte.

Die Staatsanwaltschaft sprach zudem von schweren technischen Mängeln an der Bulgarija. Demnach soll das Schiff schon beim Ablegen im Ort Bolgar zur rechten Seite geneigt gewesen sein und zu tief im Fluss gelegen haben. Zudem sei der Hauptmotor auf der linken Seite technisch mangelhaft gewesen. Überlebende berichteten, dass es kaum Rettungswesten gab.

Der tatarische Präsident Rustam Minnichanow sicherte den Überlebenden und Hinterbliebenen Aufklärung und Hilfe zu. Nach Darstellung Minnichanows waren zwei Schiffe am Sonntag an dem Unglücksort vorbeigefahren, ohne zu helfen. Die Schiffsführer müssten bestraft werden, sagte er. Ein nachfolgendes Ausflugsschiff - die Arabella - hatte fast 80 Überlebende sowie eine ertrunkene Frau an Bord gezogen und in Kasan an Land gebracht.

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