Schatzsucher:Mit dem Sondengänger in der Ackerfurche

Schatzsucher: Carsten Konze hat eine Lizenz als Sondengänger. Jeden Tag nach Feierabend schreitet er die Äcker ab und sucht nach Schätzen.

Carsten Konze hat eine Lizenz als Sondengänger. Jeden Tag nach Feierabend schreitet er die Äcker ab und sucht nach Schätzen.

(Foto: Benjamin Breitegger)

Carsten Konze buddelt sich durch Nordrhein-Westfalen. Der Mann mit dem Metalldetektor ist einer von Tausenden Schatzsuchern. Ein Hobby, das nur eingeschränkt legal ist.

Von Benjamin Breitegger

Jeden Tag nach der Arbeit pflügt Carsten Konze durch die Felder vor Köln, manchmal bis spätnachts. Er betreibt keine Landwirtschaft, besitzt keinen Traktor. In Wanderschuhen stapft er auf und ab, als gehe er ein riesiges Schachbrett entlang. Doch das Feld ist leer, die Könige sind längst geschlagen, und Konze will nur eines: die Schätze finden, die unter einer dicken Erdkruste verborgen liegen.

Es ist ein sonniger Nachmittag, als Konze, 39, muskulös wie ein Fitnesstrainer, einen Metalldetektor über einen gelbbraunen Acker schwenkt. Als das Gerät schrill pfeift, rammt er seinen Spaten in den Boden. Zerbrochene Tonziegel ragen nun aus der Erde, Hinweise auf eine frühere Römersiedlung. "Den Spot hier kennt noch keiner", sagt er und lächelt.

Konze ist einer von Tausenden Schatzsuchern in Deutschland. Er ist kein Indiana Jones, kein Raubgräber, er macht es legal, mit einer Lizenz des Landes Nordrhein-Westfalen. Manchmal gräbt er verrostete Nägel aus, mitunter findet er aber auch 2000 Jahre alte römische Münzen. Einmal im Jahr meldet er seine Funde an Archäologen, die sie in eine Datenbank eintragen.

Raubgräber handeln mit ihren Funden auf dem Schwarzmarkt

Allerdings ist nicht jeder Schatzsucher so ehrlich wie Konze. Manche Raubgräber plündern sogar geschützte Flächen, um sich zu bereichern. In Internetforen prahlen sie mit ihren Funden, verhökern ihre Beute auf dem Schwarzmarkt.

Bekannt wurde zuletzt "Sonden-Bennie". Im Mai 2013 fand der heute 24-jährige Benjamin Czerny in der Südpfalz einen Schatz: antike Silberteller und Schmuckstücke aus Gold im Wert von einer halben Million Euro. Er nahm die Gegenstände mit nach Hause und präsentierte sie auf Youtube. Erst als die Polizei auf ihn aufmerksam wurde, übergab er den Fund. Im Januar wurde er wegen Unterschlagung zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

"Raubgräberei wird noch immer als Kavaliersdelikt gesehen", sagt Petra Tutlies. Sie ist Archäologin und betreut im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen Ausgrabungen im Südwesten des Rheinlands. Auch Konze spricht mit ihr, um legal mit seinem Metalldetektor suchen zu dürfen. Vier Fünftel aller Sondengänger, so nennen sich die Schatzsucher selbst, buddeln in Nordrhein-Westfalen allerdings ohne Lizenz, schätzt Tutlies. Dass dadurch historische Gegenstände mitunter verschwinden, ist nur ein Problem. Illegale Sondengänger wie Czerny zerstören auch den Fundort. So gehen wichtige Informationen verloren: In welcher Tiefe liegen Gegenstände? Welche Erdverfärbungen gibt es? Sind Funde bewusst deponiert worden?

Archäologie ist mehr als Schatzsuche: Fachleute gehen bei Ausgrabungen behutsam vor, dokumentieren jeden Schritt. Tiefe Furchen haben sich deshalb zwischen Wissenschaftlern und illegalen Sondengängern aufgetan.

Konze entdeckt Relikte aus der Römerzeit

Als es zum fünften Mal an diesem Nachmittag piepst, schaufelt Konze behutsam Ackererde auf die Seite. Mit einem kleinen, orangenen Handdetektor sucht er im Aushub nach Metall. Er zerbricht einen Erdbrocken, heraus fällt ein fingernagelgroßer Quader. Als er daran reibt, wird ein Wappen aus dem römischen Reich sichtbar: ein Münzgewicht. "Wahnsinn!", sagt Konze. In den vergangenen vier Jahren hat er erst eines gefunden. Er holt sein Smartphone hervor, tippt auf das GPS-Symbol und fotografiert den Gegenstand. Archäologin Tutlies soll wissen, wo er ihn gefunden hat.

Konze arbeitet gerne mit Archäologen zusammen, liest alte Römerkarten, um neue Fundorte zu entdecken. Profit interessiere ihn nicht, sagt er. "Es geht mir um das Geschichtspuzzle im Kopf." Und um die Inszenierung: Seit zwei Jahren produziert Konze seine eigene Youtube-Show. "German Treasure Hunter" nennt er sich, zeigt seinen 9600 Abonnenten seine historischen Funde, römische Gewandnadeln oder Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Filmaufnahmen werden begleitet von dramatischer Musik, Zeitlupen und einem Intro, das dann doch an "Indiana Jones" erinnert: Konze ist Videoproduzent, er arbeitet in der Werbebranche.

Anfangs veröffentlichte er seine Videos noch mit Ortsangaben - bis ihn ein Gutsbesitzer anrief, auf dessen Acker er mit Erlaubnis gefilmt hatte. Über sein Grundstück seien nachts fünf Sondengänger geschlichen. Seither schreibt Konze nicht mehr, wo er Schätze gehoben hat, fährt für seine Videos schon mal ein paar Kilometer weg vom Fundort. "Vor allem Römerplätze behält man für sich", sagt er. Die Konkurrenz ist groß, sie wächst seit ein paar Jahren. Archäologin Tutlies reserviert inzwischen einen Tag in der Woche für lizenzierte Sondengänger und Interessierte. Immer mehr unter 30-Jährige begeistern sich.

Der Freistaat Bayern gilt für Schatzsucher als Paradies

Was Schatzsucher dürfen, schreiben in den Bundesländern die Denkmalschutzgesetze vor. "Spätestens nach dem dritten Fundgegenstand an einer Stelle sollte man aufhören zu graben. Dann müssen Archäologen ran", sagt Sebastian Sommer, Leiter der Abteilung Praktische Denkmalpflege in Bayern. Der Freistaat ist für Schatzsucher ein Paradies: Sie benötigen keine Lizenz, dürfen überall graben, außer auf registrierten Bodendenkmälern.

In anderen Bundesländern müssen Funde von historischer Bedeutung wie der von Sonden-Bennie dem Land übergeben werden - in Bayern teilen sich Finder und Grundstückseigentümer den Wert. Perfekte Bedingungen, meint Sommer. Dennoch findet das Landesamt auf geschützten Flächen immer wieder Spuren von Schatzgräbern. Auch jene Sondengänger, die auf erlaubten Flächen suchen, melden ihre Funde oft nicht, weil sie fürchten, diese abgeben zu müssen. 1500 bis 2000 Sondengänger gibt es in Bayern Schätzungen zufolge, doch nur etwa 20 melden pro Jahr Funde an. "Es herrscht ein Claim-Denken vor", sagt Sommer: "Das ist menschlich, aber illegal."

Carsten Konze findet, dass Archäologen Sondengängern entgegenkommen müssen. Einmal habe jemand ein Buch als Belohnung für einen abgelieferten Schatz bekommen. Klar, dass derjenige nie wieder etwas melden werde. Er selbst würde gerne auch auf Wiesen suchen und in Wäldern, aber in Nordrhein-Westfalen ist das verboten. "Ohne Genehmigung suchst du, wo du Spaß hast", sagt er. "Aber wenn du dich um Zusammenarbeit bemühst, wirst du reguliert. Eigentlich müsste es andersrum sein." Ein Leben ohne Schatzsuche kann sich Konze nicht mehr vorstellen. Er brauche das, sagt er, "das tägliche Überraschungsei aus dem Boden". Wenn er durch die Gegend fährt, hält er immer auch nach Feldern Ausschau. Konze sagt: "Es könnte unter Strafe stehen, ich würde es trotzdem machen."

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