Süddeutsche Zeitung

Schäferhunde-WM:Auch in Texas hört der Hund auf "Platz"

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In Meppen wird die Weltmeisterschaft der Deutschen Schäferhunde ausgetragen. Und mittendrin ist George Foreman, einer der treuesten Freunde der Rasse.

Von Peter Burghardt, Meppen

Auf den Deutschen Schäferhund ist Verlass, das kann George Foreman bezeugen. Wer sonst hielt noch zu ihm, als er am Boden lag? Kinshasa, 30. Oktober 1974. Rumble in the jungle. Der Amerikaner Foreman ging als unbesiegter Schwergewichts-Weltmeister in dieses epische Box-Duell, ehe ihn Landsmann Muhammad Ali nach acht Runden k.o. schlug. In der Nacht saß der Verlierer einsam in seinem Hotelzimmer, aber da wartete noch Dago, sein Deutscher Schäferhund. "Nach dem Kampf war er mein einziger Freund", sagt George Foreman und lacht sanft, er erzählt die alte Geschichte gerne.

Foreman, 67, sitzt jetzt, 42 Jahre später, auf einer Bank am Spielfeldrand des SV Meppen im Emsland. Auf sein weißes Käppi mit den Initialen GF fällt norddeutscher Nieselregen. Vor ihm ereignet sich die Weltmeisterschaft der Deutschen Schäferhunde, von der Laien nicht mal ahnten, dass es sie gibt.

Ehe man erklärt, worum es sich handelt, darf behauptet werden, dass George Foreman der berühmteste Freund des Deutschen Schäferhundes ist. Daheim in Texas besitzt der elffache Vater mehrere solcher Hunde, alle aus Deutschland. Auch seine Frau rufe "Platz", auf Deutsch. Was macht Deutsche Schäferhunde für ihn so speziell? "Devotion", antwortet Foreman, der selbst ein freundlicher und milder Zeitgenosse ist. "Das ist das treueste Tier der Welt. Brillant. Großartiger Instinkt."

Im Stadion des SV Meppen geht es diesmal nicht um Fußball - sondern um Hunde

Deshalb ist der heutige Grillexperte, Priester und ewige Hundeliebhaber soeben mit einem seiner Söhne aus den USA eingeflogen. Er selbst schaut bei dieser WM in der deutschen Provinz zwar nur zu, obwohl er seine Hunde zu Hause trainiert und trainieren lässt. Für das höchste Niveau reicht es noch nicht.

Doch auch so ist Foreman höchstwahrscheinlich der bedeutendste Besucher in der Hänsch-Arena, seit Diego Maradona in diesem ehemaligen Hindenburgstadion 1982 in einem Freundschaftsmatch mit dem FC Barcelona gegen den SV Meppen sein Debüt in Europa gab. Später stiegen die Münchner Löwen hier in die Bundesliga auf, diesmal geht es, wie gesagt, um Hunde.

George Foreman erlebt vor gut gefüllten Tribünen gerade, wie der Deutsche Mirko Dreissig mit seinem Rüden Horax vom Wolfsheim als Teilnehmer mit der Nummer GER04 die Prüfung "Unterordnung" besteht. Der Hund läuft dabei unter anderem neben seinem Gefährten, ganz nah, aber nicht zu nah und möglichst ohne nervös zu werden. Auch springt er über Hindernisse und bringt knochenförmige Hölzer zurück, die sein Gebieter auf zwei Beinen über die Hürden geworfen hat. Stets ist auf Kommando wieder folgsam Haltung anzunehmen. Häufig verwendet wird außer dem Fachwort "Platz" (alternativ "down") auch die ebenfalls international gängige Order "Fuß". Solche Wörter beherrschen selbst Russen, Südkoreaner oder der Indonesier unter den 129 Teilnehmern aus fünf Erdteilen und 42 Nationen.

Der japanische Schiedsrichter hat wegen der Schäferhunde Deutsch gelernt

Der Sachse Dreissig aus Bayern und sein viereinhalbjähriger Horax von Wolfsheim, gezeugt von Kinski vom Heidhof und Fina vom Wolfsheim, machen das gut. "He did well", lobt Foreman. Der japanische Schiedsrichter, der wegen der Schäferhunde Deutsch gelernt hat, sieht das genauso. Gut heißt indes nicht vorzüglich, wie sich Spitzenwertungen nennen. Die Teilnehmer mit der Nummer GER04 bekommen 88 von 100 Punkten und landen mit insgesamt 265 Punkten im Mittelfeld.

Die anderen beiden Disziplinen heißen "Fährtenarbeit" (im Gelände) und "Schutzdienst" (im Stadion). Bei letzterer Übung umstreifen die Hunde auf Herrchens oder Frauchens Befehl fünf Zelte, entdecken im sechsten Zelt eine Art Einbrecher und bellen, solange der Eindringling dort die Ruhe bewahrt. Rennt er los, dann rennt auch der Hund und stellt den Flüchtigen mit Bissen in den linken Arm, den "Schutzdiensthelfer" Christian Mieck von der LG Waterkant jedem Tier muskulös und gepolstert hinhält. Bleibt Mieck stehen, lässt der Hund ab, sonst werden Punkte abgezogen.

Wegrennen ist ohne Polster also eine gewagte Idee, wenn einer im richtigen Leben Böses im Schilde führt und von einem trainierten Hund bellend gestellt wird. Dazu passt eine Plakette von einem der Verkaufsstände für Hundefutter, Hundetransporter, Hundeführerkleidung und weiteres Hundezubehör: "Brechen Sie ruhig ein, machen Sie ihm die Freude." Wobei die Deutschen WM-Schäferhunde seit dem Welpenalter für Wettkämpfe ausgebildet werden und nicht für Einbrecher, Lawinenopfer oder Drogenfunde.

Weltmeister werden am Sonntag schließlich der Tscheche Vaclav Ouska und der Rüde Qvido Vepeden. Ein Deutscher-Schäferhund-Weltpokal aus Deutschland ist in der globalen Deutschen Schäferhundszene so wertvoll wie für Fußballer ein WM-Triumph in Brasilien. "Wir sind das Mutterland", sagt der Chirurgie-Professor Heinrich Meßler, Präsident des deutschen und des Weltverbandes.

Der Deutsche Schäferhund, findet der Rheinländer Meßler, sei ein deutsches Symbol wie der Kölner Dom, die Kuckucksuhr oder das Oktoberfest, begründet wurde diese adlige Dynastie 1898 von dem Offizier Max von Stephanitz und dem Stammvater Horand von Grafrath. Umso mehr hadert Meßler mit dem aktuellen Image in der Heimat: "Die Akzeptanz des Deutschen Schäferhundes ist in Deutschland am wenigsten ausgeprägt", sagt er. Im Ausland gilt der Deutsche Schäferhund dagegen trotz aller Moden mit Möpsen und Retrievern wie gehabt als der Mercedes unter den Hunden.

Ein Gebrauchshund für den Sport

Die Schäferhundgemeinde schwärmt von seinen Vorzügen. Ergeben, arbeitsam, belastbar, klug, gutmütig und trotzdem wachsam. Die Debatten über Rasse und Zucht würden an dieser Stelle zu weit führen. "Der Schäferhund bietet sich als Gebrauchshund einfach an für Sport", erläutert die Ärztin und Besitzerin Barbara Ullrich-Kornadt. Sie empfiehlt für solche Titelkämpfe "hohe Triebveranlagung und mittlere Reizstufe". Ihr Victor von Regina Pacis sammelt bei Schönheitswettbewerben mit Langstockhaar Trophäen. George Foreman besitzt eine Schwester dieses schönen Victor, die Georgina von Regina Parcis. Die Bochumerin Ullrich-Kornadt ist mit der Boxlegende also gewissermaßen verwandt und jedenfalls befreundet.

Was Foremans verlorenes Gipfeltreffen mit Ali seinerzeit in Afrika betrifft, so war der Deutsche Schäferhund Trauma und Trost zugleich. Vielen Leuten missfiel sein Begleiter damals, weil Schäferhunde im Mobuto-Reich Zaire an die vormaligen belgischen Besatzer erinnerten. Und die Boxbranche verehrte nun den strahlenden Champion Ali. Doch für den treuen Dago blieb der entthronte Foreman der Größte.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2016
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