Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:König hebt Peitschenstrafe gegen Autofahrerin auf

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Ein saudisches Gericht hat eine Frau zu zehn Peitschenhieben verurteilt, weil sie Auto fuhr. Nun hat König Abdullah das Urteil offenbar außer Kraft gesetzt. Eine Geste des Machthabers, die den Protest der Frauen im Land eindämmen soll.

Eine Autofahrerin, die in Saudi-Arabien zu zehn Peitschenhieben verurteilt wurde, soll nun doch nicht bestraft werden. König Abdullah intervenierte persönlich und hob das Urteil gegen Scheima Jastaina auf. Das Verfahren soll aber erneut aufgenommen werden.

Prinzessin Amira Tawil, die Frau eines Neffen des Monarchen, teilte über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: "Dank Gott wurde die Geißelung von Scheima aufgehoben. Ein Dank an unseren geliebten König." "Ich bin sicher, dass alle saudi-arabischen Frauen glücklich sein werden. Ich bin es", hieß es in der Botschaft weiter.

Ob die Entwicklung tatsächlich viele Frauen des Landes zufriedenstellt, ist fraglich. Denn das Urteil zeigt vielmehr, dass die Wende bei der Achtung der Frauenrechte im Land noch aussteht - obwohl König Abdullah hatte erst vor wenigen Tagen zugesichert hatte, diese stärker zu achten. Zudem hatte er versprochen, dass Frauen an der Kommunalwahl 2015 teilnehmen dürften.

Der Weg zur Gleichberechtigung im Königreich ist äußerst mühsam - und weiter gefährdet. Denn es ist das erste Mal, dass ein Gericht wegen Autofahrens eine Strafe ausgesprochen hat. Zwar ist Frauen das Autofahren in Saudi-Arabien nicht gesetzlich untersagt, doch die strengen Religionsvorschriften verbieten es seit langem. Meist stoppt die Polizei die Fahrerinnen, befragt sie und lässt sie wieder gehen, nachdem sie schriftlich zugesichert haben, sich künftig nicht mehr ans Steuer zu setzen.

Das harsche Urteil wurde als Abschreckungsmaßnahme für selbstbewusste Frauen gewertet. Aktivistinnen rufen derzeit Frauen im ganzen Land dazu auf, gegen das Verbot zu verstoßen und Auto zu fahren. Im Juni stellte die Aktivistin Manal al-Scherif ein Video auf ihre Facebook-Seite, in dem sie beim Autofahren zu sehen ist. Sie wurde zehn Tage inhaftiert und musste vor ihrer Freilassung schriftlich versprechen, nicht Auto zu fahren und nicht mit den Medien zu sprechen. Auch die Verurteilte, Scheima Jastaina, hat sich wohl sehr bewusst den Vorschriften widersetzt und legte direkt nach dem Urteil Berufung ein.

"Saudi-Arabien muss weiter gehen"

Eine andere Theorie zur Härte des Urteils kommt aus dem Umfeld des Königs. Die Verurteilung sei eine Vergeltungsaktion des religiösen Establishments im Land, hieß es, eben weil der König die Öffnung des Landes vorantreibe. "Unser König hat das nicht verdient", sagte Sohila Sein el Abidin, ein prominentes Mitglied der Nationalen Gesellschaft für Menschenrechte.

Das Urteil sei schockierend, "aber wir haben eine solche Reaktion erwartet". Sie sagte, dass die Höchststrafe für einen Verstoß gegen die Verkehrsregeln eine Geldstrafe sei - keine Peitschenhiebe. "Sogar die Ehefrauen des Propheten ritten auf Kamelen und Pferden, weil sie das einzige Transportmittel waren."

Saudi-Arabien ist das einzige Land der Welt, in dem Frauen nicht Auto fahren dürfen. Familien sind gezwungen, Fahrer anzustellen. Wer die 300 bis 400 Dollar pro Monat dafür nicht aufbringen kann, muss sich auf männliche Verwandte verlassen, um zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen oder zum Arzt zu kommen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte das Gerichtsurteil scharf verurteilt. Es sei "unglaublich", dass eine Frau Peitschenhiebe erhalten solle, nur weil sie Auto gefahren sei, erklärte der zuständige Amnesty-Direktor für den Mittleren Osten, Philip Luther, in London. "Frauen verspätet ein Wahlrecht einzuräumen, ist schön und gut; aber wenn sie immer noch eine Auspeitschung riskierten, nur weil sie ihr Recht auf Bewegungsfreiheit auszuüben versuchen, ist es mit den vielbeschworenen 'Reformen' des Königs nicht weit her", sagte Luther. "Saudi-Arabien muss viel weiter gehen; das ganze System der Unterordnung von Frauen unter Männer in Saudi-Arabien muss abgeschafft werden."

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