Satiriker im falschen Zug:Sonderhalt für Böhmermann?

Lesezeit: 2 Min.

Stimmt die Geschichte, oder ist alles nur ein Fake? Diese Frage stellt sich bei Jan Böhmermann öfter. (Foto: dpa)

Der Moderator will nach Bremen, steigt aber in einen Zug nach Essen. Dann setzt er einen Sonderhalt durch, sagt er zumindest. Die Bahn gerät in Erklärungsnot.

Von Martin Anetzberger

Was ist passiert?

Jan Böhmermann ist auf dem Weg von Hamburg zu einer Abendveranstaltung des Weser-Kuriers in Bremen in den falschen Zug gestiegen. Wie er dann in Bremen und später in seinem Podcast berichtet, habe er das Zugpersonal daraufhin überredet, extra für ihn einen Halt in Lauenbrück einzulegen. Böhmermann zufolge wäre der Zug - ein IC - sonst ohne Zwischenstopp nach Essen gefahren. Von Lauenbrück aus fuhr er mit einer Regionalbahn weiter nach Bremen. Das ist die Geschichte, wie der Moderator sie erzählt.

Dem General-Anzeiger bestätigte die Deutsche Bahn den außerplanmäßigen Halt für Böhmermann. Der Zugchef stimmte demnach zu, weil der Zug schon 90 Minuten Verspätung hatte und die Netzzentrale dem Schaffner die Erlaubnis erteilte. Eine Pressesprecherin des Unternehmens erklärte dem Blatt allerdings, die entsprechende Bitte aus dem Zug an die Netzzentrale in Berlin hätte zurückgewiesen werden müssen. Es handle sich um eine "absolute Ausnahme", hieß es. Die dpa meldet lediglich eine indirekte Bestätigung des Vorfalls. "Es ist richtig, dass es für den IC 2195 am 2.11. einen Sonderhalt im Bahnhof Lauenbrück gab." Der Name Böhmermann kommt nicht vor.

Warum interessiert uns das?

Für den Satiriker lief es schon besser. Unlängst wurde er mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert, die auf einen Sketch zurückgehen, den er zusammen mit Serdar Somuncu und Klaas Heufer-Umlauf vor acht Jahren aufgeführt hatte. Darin wurde die jüdische Identität des Komikers Oliver Polak thematisiert. Polak selbst erwähnte die Szene in seinem aktuellen Buch und entfachte damit eine größere Debatte. Böhmermann verteidigte sich und erklärte, die Einlage sei zusammen mit Polak besprochen und auch geprobt gewesen.

Nun hat der Moderator bei der Deutschen Bahn für sich offenbar eine bevorzugte Behandlung durchgesetzt und dies dann auch noch öffentlich erzählt. Daraus ergeben sich natürlich mehrere Fragen: Hätte die Bahn auch für jemand anderen angehalten, oder muss man dafür prominent sein? Warum erzählt Böhmermann das auch noch zweimal vor Publikum? Noch dazu, wo ihm von manchen gerade vorgeworfen wird, an die Selbstgerechtigkeit verloren zu sein?

Und jetzt?

Viele Zuschauer seiner Show "Neo Magazin Royale" warten jetzt sicherlich gespannt auf die nächste Episode. Entpuppt sich alles als großer Fake? Wollte Jan Böhmermann aus Spaß nur alle gegen sich aufbringen, die ohnehin glauben, dass sich Promis in Deutschland mehr herausnehmen dürfen als andere? Oder stimmt alles, wie von ihm selbst erzählt, und er bedankt sich am Ende demütig bei dem Bahnmitarbeiter, der ihm den Abend in Bremen rettete?

Dem General-Anzeiger zufolge will die Bahn "Details des ungewöhnlichen Halts firmenintern aufklären". Der dpa teilte das Unternehmen mit: "Im Interesse aller Fahrgäste sollte dies wirklich ein Einzelfall bleiben. Wir weisen den Kollegen entsprechend darauf hin." Der Mitarbeiter habe allerdings nicht mit weiteren Konsequenzen zu rechnen.

© SZ.de/dpa/mane - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusJan Böhmermann und Oliver Polak
:Aus der Giftküche

Jan Böhmermann, Oliver Polak und der heftige Vorwurf des antisemitischen Ressentiments: Wie ein Sketch mithilfe der sozialen Medien nach Jahren übel zündet.

Von Hilmar Klute

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: