Süddeutsche Zeitung

Russland:Führerschein vom Fantasiestaat

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Von Julian Hans, Moskau

Das Freie Königreich ASPI ist in vieler Hinsicht ein Traumstaat. Es ist mitten im Atlantik gelegen, die Verfassung garantiert den Freihandel und alle Bürgerrechte, und bisher war das Land in keinen einzigen internationalen Konflikt verwickelt. Nun hat die Polizei im russischen Sankt Petersburg das Konsulat des Königreichs jedoch geschlossen und vier seiner Mitarbeiter festgenommen. Denn den Traumstaat ASPI gibt es überhaupt nicht.

Die Ermittler werfen den Festgenommenen vor, Pässe und Führerscheine des Fantasiestaates verkauft zu haben, berichtet die Agentur Interfax.

Kunden waren demnach überwiegend Migranten aus Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und Afghanistan. Sie bezahlten zwischen 15 000 und 100 000 Rubel für die Dokumente, umgerechnet etwa 200 bis 1400 Euro. Laut jüngstem Bericht der Ombudsfrau für Menschenrechte beim russischen Präsidenten vom vergangenen Jahr, leben in der Russischen Föderation zwischen acht und zehn Millionen Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus. Die meisten Migranten kommen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien und arbeiten in den Großstädten als Straßenkehrer, Hilfsarbeiter oder Küchenhilfen.

Falsche Dokumente, Passfotos und Waffen

Bei einer Durchsuchung stellte die Polizei nun mehr als 100 Passfotos sicher, auf denen laut Bericht Personen mit asiatischen Gesichtszügen zu sehen sind, sowie Stempel der Behörden in Weißrussland, mit denen die Inhaber der falschen Dokumente offenbar an einem Wohnsitz im Nachbarland gemeldet wurden. Außerdem seien Waffen und Munition gefunden worden, teilte die Polizei mit.

Die Verfassung von ASPI ist im Internet in russischer Sprache zu finden. Ihre Väter haben sich bei der Formulierung keine besondere Mühe gegeben - die 132 Artikel wurden wörtlich von der Verfassung eines anderen Fantasiestaates kopiert; einige Petersburger hatten vor zehn Jahren zum Spaß die "Freie Insel Prinzessin Mary" gegründet. Die ASPI-Betrüger gingen deutlich weiter und boten sogar Staatsanleihen an. Ob tatsächlich jemand welche erworben hat, ist bislang nicht bekannt.

Statt ihr Geschäft geheim zu halten, traten die Betrüger selbstbewusst auf und vertraten ihren erfundenen Staat sowie die Rechte seiner Bürger gegenüber den russischen Behörden offensiv. Mit wechselndem Erfolg.

Als die Polizei den selbsternannten Konsul Walerij S. 2011 wegen eines Verkehrsdeliktes belangte, legte er vor Gericht Beschwerde ein und berief sich auf seine Immunität als Diplomat. Das Gericht erkundigte sich beim russischen Außenministerium, wo ein Konsulat des Freien Königreichs ASPI nicht registriert war. Die Beschwerde wurde abgelehnt.

Als die Verkehrspolizei im vergangenen Jahr ein Bußgeld von 7000 Rubel, umgerechnet etwa 100 Euro, gegen einen Mann verhängte, der mit dem Führerschein des Freien Königreichs unterwegs war, hob das Gericht die Strafe wieder auf, weil die Polizei nicht belegen konnte, dass es ASPI nicht gibt.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2018
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