Süddeutsche Zeitung

Gewaltverbrechen in Sankt Augustin:Tatort Wohnheim

  • Eine vermisste 17-Jährige wird in einer kommunalen Unterbringungseinrichtung für Wohnungslose und Flüchtlinge in Sankt Augustin bei Bonn tot aufgefunden.
  • Die Jugendliche aus dem rheinland-pfälzischen Unkel befand sich in der Wohnung eines 19-jährigen Deutsch-Kenianers.
  • Gegen den Mann wird Haftbefehl wegen Totschlags erlassen. Er hat laut Polizei ausgesagt, im Verlauf eines Streits Gewalt angewendet zu haben.

Von Jana Stegemann und Christian Wernicke, Sankt Augustin

An den drei weißen Häusern im Industriegebiet kommt niemand zufällig vorbei. Sie stehen eingezäunt am Ende einer Sackgasse, direkt an der Autobahn 59 im Stadtteil Menden der nordrhein-westfälischen Stadt Sankt Augustin. Dahinter Wiesen, Felder, ein Sägewerk. L-förmig sind die zweistöckigen Fertigbauten mit eisernen Außentreppen angeordnet. Zwischen Haus 25 und 27a stehen im vertrockneten Gestrüpp eine leere Wäschespinne, ein alter Grill, drei Stühle. An fast allen Fenstern sind die Rollläden heruntergelassen. Drei Frauen legen bunte Rosen vor den Eingang und zünden Kerzen an.

Im Untergeschoss von Haus 27a, in Zimmer 4, hat die Polizei am Sonntagabend die Leiche einer 17-Jährigen aus Rheinland-Pfalz gefunden, die von ihren Eltern am vergangenen Freitag als vermisst gemeldet worden war. Einem WDR-Bericht zufolge wollte sie eine Freundin besuchen, kam aber nie an. Der 19-jährige Hausbewohner Brian S. wurde noch am Sonntagabend festgenommen - und legte am Montag ein umfassendes Geständnis ab. Er gab zu, die 17-Jährige in der Nacht auf Samstag im Laufe eines Streits getötet zu haben.

Die Bonner Staatsanwaltschaft hat Haftbefehl wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen beantragt, bestätigte Oberstaatsanwalt Robin Faßbender. Der zuständige Haftrichter ließ den Beschuldigten wegen Totschlags inhaftieren. Noch prüfen die Ermittler etliche Details. So blieb zunächst offen, wie Brian S. die 17-Jährige getötet hat. Die Mordkommission geht davon aus, dass er weder Schusswaffe noch Messer benutzt habe. Nach Aussage von S. hatten sich Täter und Opfer am Freitag - zunächst in Begleitung von Freunden - zufällig in Bonn kennengelernt. Nach dem Besuch einer Kneipe habe das Mädchen ihn in seine Unterkunft begleitet. In ersten Meldungen hatte es geheißen, der Teenager sei "tot in einem Flüchtlingsheim" gefunden worden. Dies hatte in sozialen Medien empörte Äußerungen und Hasskommentare über angeblich gewalttätige Asylbewerber und die deutsche Flüchtlingspolitik losgetreten. Der Sprecher der Bonner Polizei bestätigte, dass Brian S., der neben dem deutschen auch den kenianischen Pass besitzt, "seit Kindesbeinen" in Deutschland lebe und kein Flüchtling sei. In der städtischen Unterkunft wohnen außerdem seit 2017 neben männlichen Flüchtlingen auch Aussiedler und Obdachlose sowie eine Frau mit kleinen Kindern. Insgesamt etwa 40 Menschen, die sich Gemeinschaftsküchen und Waschräume teilen.

"Der war immer ein ganz ruhiger Junge", sagt ein junger Mann, der Brian S. häufig begegnet ist, aber anonym bleiben möchte, er hat Verwandte im Wohnheim. Am Sonntag habe er S. gesehen "der lief ganz normal die Straße entlang". Seit mehreren Monaten soll er in der Unterkunft ein Einzelzimmer bewohnen. "Doch die meiste Zeit hat er wohl bei seiner Schwester in Bonn verbracht." S. sei nur ein "paar Mal pro Monat" dagewesen. Meist mit Freunden, "die haben dann getrunken und waren teilweise aggressiv, aber Brian S. nicht". Als "klein und kräftig" beschreibt sein Flurnachbar den mutmaßlichen Täter. Auf dessen Facebook-Profilbild sieht man einen kindlich wirkenden Jugendlichen.

Spaziergänger hatten am Sonntagnachmittag an einem Weiher, etwa 20 Gehminuten von der Unterkunft entfernt, Kleidungsstücke und die Handtasche der Vermissten gefunden, dann begann eine groß angelegte Suchaktion. Polizeiexperten werteten Telefonate und soziale Medien aus - und stießen auf Kontakte des Opfers zum Verdächtigen. Als die Beamten im Wohnheim eintrafen, soll Brian S. sofort bestätigt haben, dass das Mädchen tot in seinem Zimmer liege. Die Polizei geht davon aus, dass der Fundort des Leichnams auch der Tatort gewesen ist. Der mutmaßliche Täter habe Kleidungsstücke seines Opfers am Weiher versteckt, um die Ermittler auf eine falsche Fährte zu locken.

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SZ vom 04.12.2018/ick
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