Sanel M.:Verurteilter im Fall Tuğçe soll abgeschoben werden

Tuğçe Albayrak

Am 26. November erklärten die Ärzte die 22-jährige Lehramtsstudentin Tuğçe Albayrak für hirntod.

(Foto: dpa)
  • Sanel M. soll nach dem Ende seiner Haftstrafe nach Serbien abgeschoben werden.
  • Der Bild-Zeitung zufolge habe die Offenbacher Ausländerbehörde die Entscheidung getroffen.
  • Der heute 19-Jährige Sanel M. hatte im November 2014 die 22-jährige Tuğçe Albayrak in Offenbach niedergeschlagen.
  • Die Lehramtsstudentin prallte mit dem Kopf auf dem Boden auf und starb wenige Tage später an ihren Verletzungen.

Im November 2014 wurde Tuğçe Albayrak auf dem Parkplatz eines Fastfood-Restaurants im hessischen Offenbach zu Boden geschlagen und starb einige Tage später an den Folgen der Attacke. Sieben Monate sprach das Landgericht Darmstadt ein Urteil: drei Jahre Jugendhaft für den Angeklagten Sanel M. wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Nun steht angeblich fest, dass Sanel M. nach dem Ende seiner Haftstrafe nach Serbien abgeschoben wird, ins Herkunftsland seiner Familie. Das berichtet die Bild-Zeitung und beruft sich dabei auf "hohe Frankfurter Polizeikreise". Demnach begründe die Offenbacher Ausländerbehörde ihren Erlass mit den zahlreichen Straftaten des heute 19-Jährigen, mit denen er die "die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland" gefährdet habe. Sanel M. war zuvor schon viermal strafrechtlich in Erscheinung getreten, zweimal wegen Diebstahls, einmal wegen räuberischer Erpressung und einmal wegen gefährlicher Körperverletzung. Dafür saß er 2013 auch bereits in Jugendarrest.

Eigentlich endet die Strafe von Sanel M. erst im November 2017. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe darf allerdings zur Bewährung ausgesetzt werden, das geschieht häufig nach zwei Dritteln der Haftdauer. Sanel M. könnte also schon im kommenden November entlassen und dann direkt nach Serbien abgeschoben werden. Ein "Aufenthalts- und Wiedereinreiseverbot" solle verhindern, dass Sanel M. zurück nach Deutschland komme.

Der Fall Tuğçe: Widersprüchliche Zeugenaussagen und ein vergifteter Prozess

In der Nacht zum 15. November 2014 eskaliert ein Streit auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants in Offenbach. Eine Gruppe junger Männer sowie fünf Frauen, darunter die 22-jährige Lehramtsstudentin Tuğçe Albayrak, beleidigen sich gegenseitig. Der damals 18-jährige Sanel M. schlägt Tuğçe ins Gesicht, sie prallt mit dem Kopf auf dem Steinboden auf. Elf Tage später stellen die Ärzte den Hirntod fest, kurz darauf lassen die Eltern die lebenserhaltenden Apparate abschalten - am 23. Geburtstag ihrer Tochter.

Im Februar 2015 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, Sanel M. gibt den Schlag zu: "Es tut mir unendlich leid, was ich gemacht habe. Ich kann mir gar nicht vorstellen, welches Leid ich damit der Familie angetan habe", sagt er vor Gericht. Im Laufe des Prozesses verstricken sich die Zeuginnen, vier Freundinnen des Opfers, in Widersprüche. Sie hatten anfangs ausgesagt, dass Tuğçe versucht habe, einen Streit zu schlichten und zwei jüngeren Mädchen zu Hilfe gekommen sei. Später räumen sie ein, ebenfalls gepöbelt und die Gruppe um Sanel M. beleidigt zu haben.

"Eine beispiellose Medienkampagne"

Als Richter Jens Aßling im Juni vergangenen Jahres das Urteil verkündet und Sanel M. für drei Jahre ins Gefängnis schickt, sagt er, dass der Täter Tuğçes Tod nicht beabsichtigt habe. Er sei "kein Killer, Totschläger oder Koma-Schläger". Die Verteidiger des Angeklagten hatten zuvor eine "beispiellose Medienkampagne" gegen ihren Mandanten beklagt.

Auch der Richter kritisiert, dass viele Medien die Darstellung von Sanel M. als gewissenloser Schläger kritiklos übernommen hätten. "Am Anfang stand eine Kampagne", sagt Aßling. "Ein 18-jähriger Täter, der sich nicht wehren kann", sei "einer großen Zeitung" ausgeliefert gewesen. Ungepixelt im Bild gezeigt, als "Killer" und "Komaschläger" gebrandmarkt. Sanel M. sagt in seinem Schlusswort vor dem Urteil: "Der Schlag war der schlimmste Fehler meines Lebens. Ich kann nur sagen, dass es mir leid tut."

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