Samoa:Tod im Paradies

Der verheerende Tsunami auf Samoa lässt den Menschen kaum Zeit für die Flucht - vor allem Kinder und alte Menschen sterben.

Urs Wälterlin und Martin Zips

Die herrliche Bucht von Lalomanu war auf Samoa das, was man ein Südseeparadies nennen könnte. Schöne Strände, klares Wasser, liebenswerte Menschen. Dann kam die Flut, riss Menschen, Autos, Boote und Häuser mit, verwüstete alles, was sich ihr entgegen stellte. Jetzt ist Lalomanu ein Katastrophengebiet.

Samoa: Samoa: Den Bewohnern blieben nur wenige Minuten, sich in Sicherheit zu bringen.

Samoa: Den Bewohnern blieben nur wenige Minuten, sich in Sicherheit zu bringen.

(Foto: Foto: AP)

Mindestens einmal im Jahr rumort die Erde im Südwestpazifik, doch diesmal maßen die Seismologen 200 Kilometer vor der Südküste der Inselgruppe Samoa, etwa auf halber Strecke zwischen Neuseeland und Hawaii, dramatische Erschütterungen der Stärke 8,0. Und diesmal dauerte das Beben besonders lang.

Den Bewohnern der ehemaligen deutschen Kolonie Samoa und des Ostteils Amerikanisch-Samoa, der zu den USA gehört, blieben da nur noch wenige Minuten, um sich in Sicherheit zu bringen. Bald überrollten vier Riesenwellen die Südküste, schwappten bis zu 800 Meter ins Landesinnere. Mehr als 120 Menschen wurden innerhalb von fünf Minuten Opfer der Fluten. "Es hat vor allem Kinder und ältere gebrechliche Menschen getroffen", sagte Marita Huch, Reporterin eines lokalen Radiosenders. Da kehrte sie gerade vom Strand zurück, an dem sie viele Leichen gesehen hat.

Unterdessen lief die Hilfe für Samoa an. US-Präsident Barack Obama erklärte die Region zum Katastrophengebiet, Australien und Neuseeland schickten Ärzte, Helfer und schweres Gerät. Ein Aufklärungsflugzeug der neuseeländischen Luftwaffe suchte nach Überlebenden.

179.000 Menschen wohnen auf dem 1963 von Neuseeland unabhängig gewordenen Staat Samoa, viele haben noch deutsche Familiennamen aus der Kolonialzeit. Auf Amerikanisch-Samoa wohnen 65.000 Menschen.

Im Minutentakt erzählten Augenzeugen im Rundfunk von dem, was sie gesehen hatten. Ein Mann meldete sich aus einem völlig zerstörten Dorf: "Hier steht kein einziges Gebäude mehr". Dann wurde von Touristen berichtet, die mit Kindern aus ihren Urlaubsbungalows an den Strand gelaufen seien, nachdem sie durch das lange, starke Beben um 6.48Uhr aufgeweckt worden waren. Als sie bemerkt hätten, wie sich das Meer plötzlich zurückzog, seien sie in panischer Angst weggerannt.

Die vielen Gesichter der Katastrophe

"Es blieben nicht einmal Minuten, um sich zu retten", sagte Kerri Ritchie vom australischen Fernsehsender ABC. Der neuseeländische Tourist Hamish Nead war am Surfen, als er sah wie sich "unter mir das Riff trockenlegte".

Die Ferienanlagen Sinalei Reef und Coconuts Beach an der Westküste wurden schwer getroffen. Da in Australien und Neuseeland derzeit Schulferien sind, waren die Hotels auf Samoa alle gut besucht. Wie viele Ausländer unter den Opfern sind, bleibt zunächst unklar.

Die Katastrophe hat viele Gesichter: Wendy Booth betrieb die Touristenanlage Sea Breeze an der Südküste, die es nun nicht mehr gibt. "Die zweite Welle traf uns durch den Fußboden. Das Wasser rauschte zur Hintertür hinaus und riss uns mit", sagte sie. "Wir konnten uns an einem Geländer festhalten, mein Mann und ich klammerten uns aneinander. Der Sog zurück Richtung Meer war gigantisch. Die Kraft des Wassers riss unsere Einrichtung durch das Dach."

Eine Australierin wiederum erlebte die Katastrophe in der Hauptstadt Pago-Pago auf Amerikanisch-Samoa. Ein Bekannter sei mit einem Bus unterwegs gewesen, als der Tsunami kam. "Vier seiner Passagiere wurden fortgerissen."

Lynne Coles erzählte, zwei ihrer Cousins seien während des Erdbebens bei einem Autounfall gestorben: "Die Straße wurde in zwei Teile zerrissen". Und der samoanische Premierminister Tuilapa Sailele berichtete, in seinem Dorf würden Kinder vermisst. In den Palmen "hingen die Leichen von Opfern".

Indes kritisierte Vize-Premier Misa Telefoni, die Bevölkerung sei nicht gewarnt worden. Andere Quellen dagegen melden, die Bewohner hätten drei Minuten Zeit gehabt, um sich nach dem Alarm in Sicherheit zu bringen. Das Pazifische Tsunami-Warnsystem in Hawaii löste einen Alarm aus, der selbst im 3000 Kilometer entfernten Neuseeland zu Evakuierungen führte. Dort war die Flutwelle nur noch 40 Zentimeter hoch.

Als sich das Wasser zurückzog, wurden Leichen an die Oberfläche gespült. Stromleitungen waren zerstört, Telefonverbindungen zusammengebrochen. Weil auch viele Straßen und eine wichtige Brücke von den Wassermassen mitgerissen wurden, versuchten Menschen da und dort zu Fuß in die betroffenen Gebiete vorzudringen. Andere saßen noch Stunden nach der Flut verängstigt auf Hügeln. Wer die Möglichkeit dazu hatte, verbringt die kommenden Nächte bei Freunden oder Verwandten im Landesinneren.

An der Küste machte auch ein deutsches Ehepaar Urlaub. Die Berliner erlitten leichte Verletzungen und wurden in einem Krankenhaus versorgt, berichtet der deutsche Honorarkonsul, Arne Schreiber. Die 25 auf Samoa lebenden Deutschen seien wohlauf. Schreiber sagt, er erhalte E-Mails von Leuten, die ihre Angehörigen in der Region vermuten. Ein Überblick über die Lage zu bekommen, sei schwierig.

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