S-Bahn in Berlin:Wege aus dem Chaos

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Weil von Montag an 70 Prozent aller S-Bahnen in Berlin in die Werkstatt müssen, verleiht München eigene Züge an die Hauptstadt.

Johannes Boie

Das seit Wochen andauernde Chaos bei der S-Bahn in Berlin wird von Montag an noch größere Dimensionen annehmen. Dann werden 70 Prozent aller S-Bahnen in die Werkstatt müssen, um Räder und Achsen zu überprüfen. Für mindestens zweieinhalb Wochen werden dann 19 Bahnhöfe in der Hauptstadt von der S-Bahn nicht mehr angefahren. Dazu zählen der Flughafen Schönefeld, der Hauptbahnhof und der Alexanderplatz.

Deshalb sollen von Montag an vier S-Bahn-Züge aus München in Berlin für Verstärkung sorgen. Die Züge werden zwischen den Stationen Gesundbrunnen, Potsdamer Platz, Hauptbahnhof und Südkreuz eingesetzt. Diese Abschnitte sind so genannte Fernbahnstrecken, auf denen Münchner S-Bahnen problemlos fahren können, obwohl sie eigentlich eine andere Technik als die Berliner Modelle nutzen.

Auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Betreiber von Bus, Tram und U-Bahn in Berlin, werden aushelfen. Die BVG wird 15 zusätzliche U-Bahnen flexibel einsetzen. So sollen Spitzen im Verkehrsaufkommen kurzfristig abgebaut werden. BVG-Mitarbeiter werden an 21strategischen Punkten im U-Bahn-Netz die Fahrgastströme beobachten und das Fahrangebot anpassen. Zudem verkürzt die BVG vorübergehend Taktzeiten von Straßenbahnen und verschiebt den Beginn des Ferienfahrplanes. Busstrecken werden verlängert und häufiger bedient. Außerdem schicken die Prignitzer Eisenbahn und die Niederbarnimer Eisenbahn weitere Züge.

Herbe Kritik für das Chaos

Die BVG wird auf Anzeigetafeln, an Bahnhöfen und auf Bildschirmen in der U-Bahn über aktuelle Ausweichmöglichkeiten informieren. Online lässt sich die Verkehrslage in der Hauptstadt beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg online abrufen.

Die Kosten für das Zusatzangebot trägt zunächst die BVG, die dem Land Berlin gehört. "Wir gehen aber davon aus, dass wir darauf nicht sitzen bleiben", erklärte Sprecherin Petra Reetz. Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) habe zugesichert, dass die BVG alle Mehrleistungen bezahlt bekomme. Junge-Reyer möchte dafür für die Berliner S-Bahn vorgesehene Finanzmittel nutzen.

Die Bahntochter muss derweil weiterhin herbe Kritik für das Chaos einstecken. Der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU, Frank Henkel, forderte zwei Monate freie Fahrt mit der S-Bahn als Entschädigung der Fahrgäste. Die Bahn hatte bislang nur Stammkunden einen Monat freie Fahrt im Dezember angeboten. Der SPD-Fraktionschef Michael Müller sagte im rbb-Inforadio, im Vorstand von Bahn und S-Bahn seien einige offenbar der Meinung, sie würden einen privatwirtschaftlichen Konzern und nicht ein öffentliches Verkehrsdienstleistungsunternehmen leiten. Die Mobilität der Bürger dürfe aber nicht Rendite-Interessen untergeordnet werden.

Ein positives Ende nimmt für das Unternehmen dagegen das Verfahren der Staatsanwaltschaft Köln, das nach dem Unfall eines ICEs im Kölner Hauptbahnhof eingeleitet worden war. Schuld am Bruch einer Antriebswelle sei ein Produktionsfehler, sagten die Strafverfolger. Den Bahnmitarbeitern sei kein Vorwurf zu machen. Das Verfahren wurde eingestellt.

© SZ vom 18.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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