Süddeutsche Zeitung

Ruthenium:Erhöhte Radioaktivität über Europa kommt aus Russland

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Seit Ende September haben Messstationen in Deutschland, Italien, Österreich, der Schweiz, Frankreich und weiteren europäischen Ländern erhöhte Ruthenium-Werte gemeldet. Als Ursache für den Anstieg der Radioaktivität vermutete die französische Atomaufsichtsbehörde einen Unfall in einer russischen Einrichtung. Die "plausible Zone der Freisetzung" liege zwischen der Wolga und dem Ural, hieß es in einem Bericht des Instituts für radiologischen Schutz und nukleare Sicherheit (IRSN).

Nach ersten Berichten über ein Ruthenium-Leck in einer Anlage im Südural hatte der staatliche russische Rosatom-Konzern im Oktober erklärt, die Substanz komme nicht aus seinen Anlagen. "Die Behauptung, dass die Kontamination russischen Ursprungs ist, ist unbegründet", erklärte Rosatom. In seinem jüngsten Statement beharrte der Konzern erneut darauf, dass es "keinen Zwischenfall und keine Panne" in einer Atomanlage gegeben habe.

Zuvor hatte der russische Wetterdienst bestätigt, dass in Teilen des Landes eine "äußerst hohe" Konzentration von radioaktivem Ruthenium-106 festgestellt wurde, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Die höchste Konzentration wurde demzufolge in der Messstation Argajasch registriert, einem Dorf in der Region Tscheljabinsk im südlichen Ural an der Grenze zu Kasachstan, 20 Kilometer von der Kerntechnischen Anlage Majak entfernt, wo sich 1957 der drittschwerste Atomunfall der Geschichte ereignet hatte. Dort sei in der Woche vom 25. September bis 7. Oktober eine Konzentration von Ruthenium-106 gemessen worden, die das 986-Fache des erlaubten Werts betragen habe. Heute dient die Anlage der Wiederaufbereitung abgebrannter nuklearer Brennstoffe.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte Rosatom auf, eine gründliche Untersuchung vorzunehmen und die Ergebnisse über die Vorfälle zu veröffentlichen. Greenpeace werde von der Staatsanwaltschaft verlangen, "Ermittlungen über die mögliche Verschleierung eines Atomunfalls einzuleiten", erklärte die Organisation.

Dem französischen Bericht zufolge wird in der Atmosphäre über Europa inzwischen keine erhöhte Radioaktivität mehr gemessen. Ruthenium-106 wird in der Strahlentherapie zur Behandlung von Tumoren genutzt und dient als Energiequelle für Satelliten. Auch bei der Wiederaufarbeitung von nuklearen Brennelementen kann Ruthenium auftreten. Durch die Tatsache, dass ausschließlich Ruthenium-106 nachgewiesen wurde, schließt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) einen Unfall in einem Kernkraftwerk als Ursache aus. In diesem Fall wären auch andere radioaktive Elemente freigesetzt worden.

Die Konzentration des in insgesamt 13 europäischen Ländern gemessenen radioaktiven Stoffs liegt in einem Bereich, in dem nach Angaben des BfS "keinerlei Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung" besteht. So betrage die höchste in Deutschland gemessene Konzentration von Ruthenium im ostsächsischen Görlitz etwa fünf Millibecquerel pro Kubikmeter Luft. Damit sei die zusätzliche Belastung geringer als die durch die natürliche Umgebungsstrahlung. Die Messungen an den übrigen deutschen Stationen (Arkona/Rügen, Greifswald, Angermünde, Cottbus und Fürstenzell/Bayern) seien noch niedriger ausgefallen. Auch das IRSN erklärte, dass die Freisetzung des Isotops für europäische Staaten keine Gesundheits- oder Umweltrisiken darstelle.

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SZ.de/ap/afp/ick/beu/spes
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