Russland:Viermal so gefährlich

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Billige Tickets, alte Maschinen, harte Konkurrenz: Das Flugzeugunglück in Ägypten zeigt die Probleme der russischen Luftfahrt auf.

Von Julian Hans, Moskau

Was als Protest geplant war, endete als Trauerzug. Eigentlich hatte eine Gruppe von Aktivisten für Sonntag eine Demonstration gegen die Abwicklung der Fluggesellschaft Transaero angemeldet. Doch nach den Nachrichten aus Ägypten widmeten sie ihre Aktion in der russischen Hauptstadt um, brachten Kerzen und Plüschtiere mit und trugen ein Plakat mit einem Foto des zerschellten Airbus 321.

Die Aktion zeigt zwei Probleme, mit denen die russische Luftfahrt zu kämpfen hat: die Sicherheit und die Wirtschaftlichkeit. Laut der International Air Transport Association ist ein Flug in Russland viermal so gefährlich wie im internationalen Durchschnitt. Die jüngsten Opfer eingerechnet starben in den vergangenen zehn Jahren etwa 1000 Menschen bei Unglücken russischer Fluglinien. Die Gefahr wird nicht geringer, wenn die Fluggesellschaften an allen Enden sparen müssen.

Ägypten-Urlaub ist für Russen ohnehin nur mit den Billig-Chartern erschwinglich

Zu Beginn der 2000er-Jahre, als der Ölpreis stieg und der Konsum in Russland boomte, konnten sich viele erstmals Reisen ins Ausland leisten. Die Türkei und Ägypten wurden zu den beliebtesten Zielen. Im November flohen die Großstädter noch einmal in die Sonne, bevor der lange Winter begann. Doch seit der Ölpreis drastisch fiel und den Rubel mitriss, sind Auslandsreisen für die meisten Russen unerschwinglich geworden. Derweil wuchs im Nahen Osten die Terrorgefahr, westliche Regierungen warnen vor Urlaub in Ägypten. Russen reagieren etwas weniger empfindlich auf derartige Warnungen. Dafür kamen ihnen die Rabatte gerade recht, mit denen ägyptische Veranstalter versuchten, trotz allem Gäste anzulocken.

Die Krise trifft auch die Fluggesellschaften. Transaero, Russlands zweitgrößte Airline, muss im Dezember wahrscheinlich endgültig schließen. Der Marktführer Aeroflot hat einen Kauf des Konkurrenten abgelehnt. Weil die Passagierzahlen zurückgehen, hat auch Lufthansa Ziele in Russland vom Flugplan gestrichen. Air Berlin und Easyjet fliegen künftig gar nicht mehr dorthin. Aeroflot ist damit fast Monopolist, die Preise steigen, der Ägypten-Urlaub ist ohnehin nur mit den Billig-Chartern noch erschwinglich.

Den kleinen Charter-Anbieter Kogalymavia kannte vor der Katastrophe auch in Russland kaum jemand. Die Firma mit Sitz im westsibirischen Surgut wurde 1993 gegründet und verband Ziele in Sibirien mit dem europäischen Teil Russlands. 2011 ersetzte Kogalymavia seine russischen Tupolew-Flugzeuge durch Maschinen von Airbus und flog fortan unter der Marke Metrojet. Den Flug Scharm el-Scheich - Sankt Petersburg führte Metrojet im Auftrag des Reiseveranstalters Brisco aus. Dessen Besitzer, Wischan Tabulajew, ist zugleich Direktor der Investitionsgesellschaft, der Metrojet gehört.

Der Absturz vom Samstag ist nicht der erste Zwischenfall bei Kogalymavia. Mehrmals mussten Maschinen notlanden. Im Januar 2011 brannte ein Triebwerk, das Flugzeug wurde evakuiert, dabei starben drei Passagiere, 43 wurden verletzt, wie das Nachrichtenportal Meduza berichtet.

Dass die Unglücksmaschine 18 Jahre alt war, sei alleine noch nicht bedenklich, sagen Luftfahrtexperten; es kommt vor allem darauf an, wie die Maschine gewartet wird. Kogalymavia erklärte am Sonntag, die Maschine habe im vergangenen Jahr die vorgeschriebene Inspektion durchlaufen, die technischen Prüfungen vor jedem Flug seien stets vorschriftsgemäß erfolgt. Russische Medien berichteten indes, die Crew habe sich in den vergangenen Wochen mehrmals über Probleme mit dem Antrieb beklagt. Derzeit hat Metrojet sechs weitere A321 in Betrieb. Die russische Luftfahrtaufsicht untersagte vorerst ihren Einsatz.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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