Russland:Tödlicher Badezusatz

Bar und Bäckerei "Ruben Phoenix" in München, 2014

Jedes Jahr sterben in Russland etwa 15 000 Menschen an einer Alkoholvergiftung. Immer mehr Abhängige trinken Parfüm oder Reinigungsmittel als billigeren Wodka-Ersatz.

(Foto: Catherina Hess)

Schwer abhängige Trinker greifen in Russland gerne zu alkoholhaltigen Reinigungsmitteln, weil sie billiger sind. In Irkutsk sind 49 Menschen daran gestorben.

Von Julian Hans, Moskau

Behörden der sibirischen Stadt Irkutsk haben am Montag den Ausnahmezustand verhängt: Innerhalb kurzer Zeit waren 49 Bewohner an einer Alkoholvergiftung gestorben. Ein weiteres Dutzend würden in Krankenhäusern behandelt, berichteten örtliche Medien. Ihr Zustand sei ernst. Sie hatten einen Badezusatz getrunken, der laut ersten Ermittlungsergebnissen in Untergrundlabors mit Methylalkohol und Frostschutzmittel verpanscht worden war. In einer Datschensiedlung stellten Ermittler mehrere Kanister mit insgesamt 1300 Litern eines alkoholhaltigen Gemischs sicher. Mindestens fünf Personen wurden festgenommen. Hygieneartikel und Putzmittel, die Alkohol enthalten, dürfen in Irkutsk vorerst nicht mehr verkauft werden.

Jedes Jahr sterben in Russland etwa 15 000 Menschen an einer Alkoholvergiftung. Schwer abhängige Trinker greifen zu Parfüm oder alkoholhaltigen Reinigungsmitteln, weil sie billiger sind als Wodka. Seit 2009 ist der Mindestpreis für eine Flasche Schnaps staatlich reguliert. Über die Höhe wird immer wieder gestritten. Derzeit kostet ein halber Liter mindestens 190 Rubel, knapp drei Euro. Erst in der vergangenen Woche hatte das Wirtschaftsministerium vorgeschlagen, den Preis zu senken. Experten warnen, dass wegen der sinkenden Realeinkommen immer mehr Abhängige nach Ersatz suchen. Die Zeitung RBC schätzt den Anteil von Kosmetika und Putzmitteln am Markt alkoholischer Getränke auf 20 Prozent. Das Finanzministerium verteidigt einen höheren Preis wegen der Einnahmen aus der Alkoholsteuer. Aus dem Verkauf jeder Flasche Wodka fließen mindestens 100 Rubel in den Staatshaushalt.

Die Opfer in Irkutsk hatten einen Badezusatz namens "Weißdorne" für 40 Rubel (etwa 62 Cent) getrunken, der mehr als 90 Prozent Alkohol enthält. Auf dem Etikett steht zwar die Warnung "Nur zur äußeren Anwendung", doch die Hersteller sehen sich schon lange dem Vorwurf ausgesetzt, den kosmetischen oder medizinischen Nutzen ihres Produkts nur als Vorwand zu nutzen, um Lebensmittelgesetze und hohe Steuern zu umgehen. In diesem Fall war aber offenbar das ohnehin billige Mittel gepanscht worden.

Wladimir Putins Sprecher Dmitrij Peskow sprach am Montag von einer "schrecklichen Tragödie". Der Präsident sei informiert, die Regulierung aber Sache der Regierung.

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