Nach dem schweren Unglück in einem russischen Kohlebergwerk mit vielen Toten ist ein Mensch lebend gefunden worden. Der 51 Jahre alte Mann hatte unter Trümmern überlebt und sich an die Oberfläche gekämpft. Er gehörte zu den Rettungskräften, ein Einsatzleiter sprach von einem "Wunder". Er sei in ein Krankenhaus gebracht worden, teilte der Gouverneur des Gebiets Kemerowo, Sergej Ziwiljow, mit. Zu diesem Zeitpunkt waren die Behörden davon ausgegangen, dass es keine Chance mehr gab, Vermisste lebend zu finden. Die Zahl der Toten war deshalb mit insgesamt 52 angegeben worden. Nach der Rettung des 51-Jährigen wurde die Zahl auf 51 korrigiert, 46 Bergleute und fünf Rettungskräfte.
Überlebende schilderten dramatische Szenen. "Plötzlich haben wir keine Luft mehr bekommen", sagte ein Bergmann der Tageszeitung Kommersant. Die Rettungskräfte, die bei dem Einsatz starben, sollen posthum mit staatlichen Auszeichnungen für ihren Mut geehrt werden.
Experten rechnen damit, dass es wegen Explosionsgefahr Tage dauern könnte, alle Leichen aus der Grube zu bergen. In dem Bergwerk im Westen Sibiriens, etwa 3000 Kilometer östlich der Hauptstadt Moskau gelegen, hatte sich am Donnerstagmorgen aus zunächst unbekannter Ursache eine Explosion ereignet. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich nach Angaben des russischen Zivilschutzministers Alexander Tschuprijan 285 Menschen in der Grube auf, 239 Arbeiter konnten aus dem Schacht "Listwjaschnaja" im Kusnezker Kohlebecken (Kusbass) gerettet werden. 38 Grubenarbeiter und elf Rettungskräfte mussten in Krankenhäusern behandelt werden, die meisten von ihnen, weil sie giftige Gase eingeatmet hatten. In Lebensgefahr schwebt nach offiziellen Angaben keiner von ihnen.
Vermutete Ursache: eine Methangas-Explosion
Das Unglück sei wahrscheinlich durch eine Explosion von Methangas ausgelöst worden, sagte Gouverneur Ziwiljow. "Die genaue Ursache wird von einer Kommission ermittelt." Die Bergungsarbeiten unter Tage sollen erst dann fortgesetzt werden, wenn die Explosionsgefahr gebannt ist. Es solle in den nächsten drei Tagen ein zusätzlicher Schacht gebohrt werden, um mögliche Brände zu beseitigen, sagte Ziwiljow. Zivilschutzminister Tschuprijan zufolge sollen Luftproben unter Tage genommen werden, um festzustellen, ob weiter Explosionsgefahr drohe. "Die Inspektion des Bergwerks ist keine Frage von einem Tag."
Der Gouverneur ordnete eine dreitägige Trauer bis Sonntag an. Viele Menschen legten an öffentlichen Orten Nelken nieder. Der russische Regierungschef Michail Mischustin begann eine Kabinettssitzung mit einer Schweigeminute. Er sprach von einer "Tragödie" und ordnete Hilfe für die Überlebenden und Hinterbliebene an. Ein Flugzeug mit zusätzlicher medizinischer Ausrüstung sei nach Kemerowo geschickt worden. Auch Psychologen sollten den Menschen in ihrer Trauer helfen.
Überprüfung erst vor einer Woche
Unterdessen gab es weitere Festnahmen. Neben dem Bergwerksdirektor und zwei führenden Mitarbeitern seien auch zwei staatliche Experten in Gewahrsam genommen worden, die den Schacht erst vor einer Woche überprüft hatten, teilte das Ermittlungskomitee mit.
Die Arbeit im Kohlebergbau in Russland gilt als lebensgefährlich. Wegen Verstößen gegen elementare Sicherheitsvorschriften kommt es dort immer wieder zu schweren Unglücken. Oft explodiert dabei Methangas. Das leicht entzündliche Grubengas wird durch die Arbeiten im Bergbau freigesetzt und sammelt sich bei schlechter Belüftung in den Schächten und Strecken unter Tage an. Die Witwe eines Bergmannes machte den Behörden schwere Vorwürfe. Vor zehn Tagen habe es in der Mine bereits gebrannt. Die Bergleute hätten das Feuer gelöscht. Ihr Mann habe gewusst, dass es in der Grube noch Methangas gebe, sagte sie der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. "Er sagte, wenn der Sensor piept, dann wird er ihn mit Wasser befeuchten, damit er nicht mehr piept. Dies sind die Bedingungen, unter denen gearbeitet wurde."