Prozess in Russland:Serienmörder und Polizist

Lesezeit: 3 min

Der Serienmörder und Ex-Polizist Michail Popkow während der Gerichtsverhandlung. (Foto: dpa)
  • Seit Montag gilt Michail Popkow als schlimmster Serienmörder der russischen Geschichte.
  • Ein Gericht in Irkutsk sprach ihn schuldig, weitere 56 Frauen getötet zu haben - zusätzlich zu den 22 Opfern, für die der 54-Jährige schon lebenslang einsitzt.
  • Viele starben auf grausame Weise.

Von Silke Bigalke, Moskau

Mit der Gefängnisbibliothek ist der Serienmörder unzufrieden. Schon vor einem Jahr hatte sich Michail Popkow in einem Interview beklagt, dass er manche Bücher bereits zwei Mal lesen musste. Er gebe sich Mühe, nicht über seine Taten nachzudenken, sagte er damals und ließ sich Sudoku-Rätsel von der Reporterin mitbringen.

Besonders kranke Geister drehen sich meist ausschließlich um das eigene Wohlbefinden. Seit Montag gilt Popkow als schlimmster Serienmörder der russischen Geschichte. Ein Gericht in Irkutsk sprach ihn schuldig, weitere 56 Frauen getötet zu haben - zusätzlich zu den 22 Opfern, für die der 54-Jährige schon lebenslang einsitzt. Viele starben auf grausame Weise. Zum Verhängnis wurde ihnen, dass sie zu ihm ins Auto stiegen: in den Wagen eines Streifenpolizisten.

Denn das war Michail Popkows Job in der sibirischen Stadt Angarsk, als er vermutlich 1992 das Morden begann. Die oft jungen Frauen waren allein unterwegs, abends oder nachts auf dem Heimweg. Der hilfsbereite Polizist bot ihnen an, sie nach Hause zu fahren. Für ihn, so erklärte er sein Verhalten später, waren diese Frauen verdorben, weil sie sich alleine herumtrieben und zu einem Fremden in den Wagen stiegen. Wenn sie dann noch falsch auf seine Fragen antworteten, sich von ihm auf ein Getränk einladen lassen wollten, brachte er sie nicht nach Hause.

Die Ermittler gehen davon aus, dass er das Töten genossen habe

Ihre Leichen am wurden am Straßenrand, im Wald oder auf Friedhöfen gefunden, oft ohne Kleidung, und es gab Hinweise auf Vergewaltigungen. Manche Frauenleichen waren so schlimm zugerichtet, dass die Ermittler davon ausgehen, er habe das Töten genossen und leide an Mordsucht.

Für seine Taten, die er selbst als spontan beschreibt, nutzte er, was er eben dabei hatte: Messer, Schlagstock, Schraubenzieher. Lokale Medien berichten, dass Popkow bereits während seiner Zeit im Polizeidienst negativ aufgefallen und von Psychologen untersucht worden war. Er galt als reizbar und war niemand, der sich an gesellschaftliche Normen hielt. Er hatte offenbar einen entsprechenden Vermerk in seiner Dienstakte.

Ohnehin war er nur einige Jahre bei der Polizei, hatte zuvor eine Ausbildung als Mechaniker gemacht, war mit der Armee in die Mongolei gegangen, hatte dann für die Verkehrspolizei und die Feuerwehr gearbeitet, bevor er bis 1998 Streife fuhr. Später wechselte er zu einem privaten Sicherheitsunternehmen, für das er zwischen Irkutsk und Wladiwostok pendelte. Er war sportlich, fuhr Ski und machte Biathlon, und war seiner Tochter ein fürsorglicher Vater. Wie wurde er zum Mörder? Trägt die lieblose Mutter eine Mitschuld? Oder der Vater, der den Jungen zu seinem Job als Totengräber mit den Friedhof nahm?

Michail Popkow verdächtigte seine Frau, ihn betrogen zu haben, womit seine Wut auf Frauen erklärt wird. Seine Frau und Tochter glaubten allerdings selbst nach dem ersten Urteil 2015 noch fest an seine Unschuld und traten sogar im Fernsehen auf. Seine Tochter, damals 27 Jahre alt, beschrieb die enge Beziehung zum Vater und sich selbst als "Papas Mädchen". Später kam heraus, dass er wohl eine ihrer Lehrerinnen an der Musikschule umgebracht hat. Lange war unklar, wie viele Jahre er gewütet hatte, noch heute scheint die Zahl seiner Opfer unsicher.

Fast 18 Jahre soll er vor der Nase seiner früheren Kollegen Jagd auf Frauen gemacht haben

Zunächst gingen die Ermittler davon aus, dass er im Jahr 2000 mit dem Morden aufhörte. Doch nach dem ersten Urteil gestand Popkow weitere Taten bis ins Jahr 2010 hinein. Beinahe 18 Jahre lang hat er demnach vor der Nase seiner früheren Kollegen Jagd auf Frauen gemacht. Doch in der kleinen, sibirischen Stadt waren Geld und Personal offenbar so knapp, dass sie ihm nicht auf die Schliche kamen.

Erst 2012 entdeckten die Ermittler dieselben Reifenspuren an verschiedenen Tatorten und nahmen DNA-Proben von mehreren tausend Menschen, die den passenden Wagentyp fuhren. Im Sommer 2012 verhafteten sie Michail Popkow in Wladiwostok. In einem Interview mit dem Onlineportal Meduza vor einem Jahr behauptete er, dass er keine Genugtuung nach den Morden empfunden hätte, sondern Angst - allerdings nach jedem Mal etwas weniger. Er könne sich selbst nicht erklären, warum er immer wieder tötete. Aber dann sagte er über seine Gefühle auch: "Es ist so lange her, ich kann mich nicht erinnern, wie es war."

Er sprach in dem Interview auch über sein sorgloses Leben im Gefängnis in Irkutsk, wo er auf seinen Prozess wartete. Dort habe er ein sauberes Bett, einen geregelten Tagesablauf, immer etwas zu essen. Seine Tochter allerdings habe er seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Naja, und die Bibliothek lasse eben zu wünschen übrig. Seine lebenslange Strafe wird Popkow vermutlich in einer deutlich unbequemeren Strafkolonie verbüßen müssen. Manche spekulieren nun, dass er die weiteren Morde nachträglich gestanden habe, um noch nicht verlegt zu werden.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: