Russland:Sekte hielt Kinder in unterirdischem Bunker fest

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Keine Heizung, noch nicht einmal Sonnenlicht: 65 Mitglieder einer russischen Sekte, darunter fast zwei Dutzend Kinder, haben mehr als zehn Jahre lang in einem unterirdischem Bunkersystem gehaust. Den Behörden drohen die Jünger jetzt mit dem Weltuntergang.

Länger als ein Jahrzehnt haben in Russland 65 Mitglieder einer islamischen Sekte in einem unterirdischen Bunker ohne Sonnenlicht, Elektrizität und Heizung gelebt - darunter mehr als 20 Kinder. Die Minderjährigen seien schmutzig und in schlechtem gesundheitlichen Zustand gewesen, berichteten Ärzte der Zeitung Komsomolskaja Prawda. Einige von ihnen waren offenbar noch nie an der frischen Luft.

Die Anhänger des 83-jährigen muslimischen Predigers Faisrachman Satarow lebten unter einem Haus in der Stadt Kasan mehr als 800 Kilometer östlich von Moskau in einem weitläufigen Bunkersystem, das bis zu sieben Stockwerke tief unter die Erde reicht.

Unter den Jüngern sind laut der Zeitung Kommersant 15 Männer, 23 Frauen und 27 Kinder. Die Kinder sollen zwischen 18 Monaten und 17 Jahren alt sein.

Die Anhänger durften - bis auf wenige Ausnahmen - das Gelände nicht verlassen und keinen Kontakt zur Außenwelt aufnehmen. Auch wurde ihnen untersagt, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ärzte stellten bei einigen Mitgliedern Anzeichen von Tuberkulose und Blutarmut fest, eine 17-Jährige soll schwanger gewesen sein.

Sekte hatte eigene Dieselstation und einen Brunnen

Dem Bericht zufolge war Satarow in den sechziger Jahren als Mufti (islamischer Rechtsgelehrter) tätig. Ende der 1980er Jahre habe er sich zum Propheten und "Gesandten Allahs" erklärt. Informationen von Komsomolskaja Prawda zufolge soll er begonnen haben, eine eigene Version der Heiligen Schrift zu formulieren.

1996 hatte der Prediger das etwa 700 Quadratmeter große Gelände am Stadtrand von Kasan gekauft. Die Glaubensgemeinschaft schottete sich dort seit 2001 von der Außenwelt ab. Der Grund war angeblich durchaus weltlich: Die Gemeinschaft habe hohe Schulden gehabt.

Auf dem von Mauern umgebenen Gelände nahe einer Bahnstrecke steht eine kleine Moschee. Zudem verfüge die Sekte über eine Dieselstation und sogar eigene Brunnen. Die Frauen hätten ihre Kinder auf dem Gelände geboren. Unterricht gab der selbst ernannte Prophet Satarow.

Ermittlungen wegen Kindesmisshandlung

Sektenmitglieder kündigten Widerstand gegen den Abriss des Gebäudes an. Ein Spezial-Einsatzkommando hatte das Gelände wegen Terrorismusverdachts Anfang August gestürmt und die Kinder befreit. Sie kamen in Krankenhäuser und sollen nun in Waisenhäusern betreut werden.

Ihre Eltern müssten sich einer langen Behandlung unterziehen, bevor sie wieder mit ihren Kindern zusammengebracht werden könnten, sagte ein Experte für Kinderrechte der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti . Satarows Anhänger drohen damit, den Weltuntergang heraufzubeschwören, falls ihnen die Behörden ihre Kinder nicht zurückgeben.

Die Behörden in der muslimisch geprägten Teilrepublik Tatarstan ermitteln nun gegen Satarow, weil er "das Recht in die eigene Hand genommen hat", seine Anhänger müssen sich womöglich wegen Kindesmissbrauchs verantworten.

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