Süddeutsche Zeitung

Russland:Peng, bum, Quatsch

In Moskau ist vor wenigen Tagen mit großem Tamtam ein Kalaschnikow-Denkmal enthüllt worden. Dann entdeckte man einen Fehler an der Statue: ein falsches Sturmgewehr - ausgerechnet ein deutsches.

Von Julian Hans, Moskau

Es gibt wenige Dinge aus den Tagen der Sowjetunion, die in der ganzen Welt bekannt sind. Die Kalaschnikow gehört dazu. Eine echte Marke. Wie Coca-Cola, McDonald's und Marlboro. Doch offenbar ist die 1947 entwickelte Waffe, die Awtomat Kalaschnikowa, häufig auch AK-47 genannt, wohl doch nicht so genau bekannt. Jedenfalls nicht ganz genau, mit allen Details und so.

Als echtes "Markenzeichen der russischen Kultur" hatte Kulturminister Wladimir Medinskij das Gewehr noch Anfang der Woche gerühmt. Da war gerade ein acht Meter großes Denkmal für dessen Erfinder auf dem Moskauer Gartenring enthüllt worden: Michail Kalaschnikow. Eine Militärkapelle spielte, ein Pope der orthodoxen Kirche besprengte die Statue des Waffenkonstrukteurs mit Weihwasser.

Keine drei Tage stand das Denkmal, da schrien Waffenkenner auf: Unter den diversen Kalaschnikow-Modellen, die zu Füßen des Konstrukteurs auf der Skulptur in Bronze gegossen sind, war auch eine schematische Zeichnung des Sturmgewehrs 44, mit dem die deutsche Wehrmacht in den Krieg gegen die Sowjetunion gezogen war. Entwickelt hatte es der Waffenkonstrukteur Hugo Schmeisser 1943, also vier Jahre früher als Kalaschnikow seine AK-47.

Der Fehler verbreitete sich schnell über das Internet, und schon am Freitag rückten Arbeiter mit dem Metallschneider an. Sie flexten die falsche Waffe weg. Es habe sich wohl "ein Fehler eingeschlichen", räumte der Bildhauer, Salawat Schtscherbakow, ein. Das könne immer passieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass dem Bildhauer Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Was auch daran liegen könnte, dass die Nachfrage nach Schtscherbakows patriotisch-monumentalem Stil gigantisch ist. In den letzten Jahren hat er eine ganze Reihe Denkmäler geschaffen, was der Qualität offenbar nicht zuträglich war: 2014 wurde vor dem Weißrussischen Bahnhof seine Skulptur mit dem Titel "Abschied der Slawin" enthüllt. Von dort waren im Großen Vaterländischen Krieg die Soldaten an die Front gefahren. Auf dem Denkmal aber entdeckten Experten bald einen Karabiner vom Modell Mauser 98. Auch hier wurde die deutsche Flinte umgehend abgesägt.

Darf mal passieren? Na ja. Unter allen Helden-Denkmälern, die auf Bestellung der russischen Führung in jüngster Zeit in großer Zahl errichtet wurden, ist die Kalaschnikow-Statue eine Besonderheit. Die meisten Monumente gelten Fürsten und Zaren, also Menschen, die tot sind, und das schon ziemlich lange. Michail Timofejewitsch Kalaschnikow aber ist erst vor wenigen Jahren, im Dezember 2013 im Alter von 94 Jahren gestorben. Eine Nationalikone. Zu seinem 90. Geburtstag hatte er die höchste Auszeichnung des Landes erhalten: den Stern des Helden Russlands.

Der Minister sagte, man dürfe sich nicht auf das Internet verlassen

Noch heute wird die Kalaschnikow von Armeen in mehr als 50 Ländern benutzt. Als Symbol für den Freiheitskampf ziert sie die Flagge der Republik Mosambik und die der Hisbollah-Miliz in Libanon. Weltweit wurden mehr als 100 Millionen Exemplare produziert. Weil die Mechanik nicht besonders kompliziert ist, sind die meisten davon allerdings Raubkopien, Russland schätzt ihren Anteil heute auf gut 90 Prozent. Soldaten und Guerilla-Kämpfer schätzen gleichermaßen die hohe Zuverlässigkeit der Waffe - selbst bei Regen und Dreck. Kinderleicht zu bedienen, drücken Warlords gerade Kindersoldaten oft die Kalaschnikow in die Hand.

Russlands Kulturminister Wladimir Medinskij versuchte dem Fehler noch etwas Positives abzugewinnen. Er sagte, immerhin kenne jetzt jeder den Unterschied zwischen einer Kalaschnikow und einem Schmeisser-Sturmgewehr. Zudem habe der Fall noch einmal vor Augen geführt, dass man sich nicht auf das Internet verlassen dürfe. Wahrscheinlich habe einer der Assistenten des Bildhauers eine falsche Skizze kopiert.

"Nichtsdestotrotz sind wir ein Land mit großen Talenten", sagte der Minister. Immerhin hatte es ja doch noch Russen gegeben, die eine Kalaschnikow von einem deutschen Sturmgewehr unterscheiden konnten. Und dafür, sagte er, müsse man ein großer Experte sein.

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Quelle:
SZ vom 25.09.2017
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