Russland:Orthodoxe Kirche wählt neuen Patriarchen

Der Metropolit Kirill zum neuen Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche gewählt worden. Der 62-Jährige galt als klarer Favorit.

F. Nienhuysen

Fast zwei Monate nach dem Tod von Patriarch Alexij II. hat das Landeskonzil den Metropoliten Kirill zum neuen Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche gewählt.

Russland: "Außenminister" seiner Kirche: der 62-jährige Metropolit Kirill von Smolensk und Kaliningrad.

"Außenminister" seiner Kirche: der 62-jährige Metropolit Kirill von Smolensk und Kaliningrad.

(Foto: Foto: AP)

Kirill, bisher Metropolit von Smolensk und Kaliningrad, setzte sich am Dienstabend mit deutlicher Mehrheit gegen Metropolit Kliment durch, der als extrem konservativer Vertreter der Kirche gilt. Der dritte Bewerber, Filaret, hatte zuvor seine Kandidatur zurückgezogen.

Der 62 Jahre alte Kirill ist erst der 16. Patriarch in der Geschichte der russischen Orthodoxie; Peter der Große hatte das Patriarchat abgeschafft. Erst 200 Jahre später wurde es wieder eingeführt.

Kirill führte bereits seit Dezember das Patriarchat übergangsweise an, nachdem er zuvor fast zwei Jahrzehnte lang die Außenbeziehungen der Kirche geleitet hatte. Das neue Oberhaupt ist in Russland als wortgewandter Talkshow-Gast bekannt.

Im ersten Kanal des russischen Fernsehens hatte er eine eigene Sendung, in der er mitunter den starken Einfluss westlicher Werte kritisierte. Dennoch gilt er im Vergleich zu Kliment als gemäßigt; viele trauen ihm eine stärkere Öffnung zu anderen Kirchen zu.

Zur feierlichen Wahl des Oberhaupts in der Christi-Erlöser-Kathedrale waren mehr als 700 Delegierte aus der ganzen Welt nach Moskau gereist. Fast 200 der Geistlichen und Laien kamen allein aus der Ukraine.

Auch aus Amerika, Japan und Europa kamen Gesandte zur Abstimmung, unter ihnen vier aus Deutschland. Hintergrund ist, dass nach der Oktoberrevolution 1917 russische Orthodoxe im Ausland eine Exilkirche gegründet hatten, die Auslandskirche. Patriarch Alexij gelang es vor zwei Jahren jedoch, die Auslands- mit der Heimatkirche zu vereinen.

Die russisch-orthodoxe Kirche hat 150 Millionen Gläubige, in Russland sind es etwa 100 Millionen, zwei Drittel der Bevölkerung. Seit dem Ende des atheistischen Sowjetregimes zu Beginn der neunziger Jahre erlebte die Orthodoxie eine Wiedergeburt. Desorientiert durch die Wirren der Wende, suchten viele Russen neuen Halt. Im ganzen Land entstanden mit staatlicher Unterstützung neue Kirchen, Klöster und Kathedralen, alte wurden wiederaufgebaut.

Als Träger nationaler Werte ist die orthodoxe Kirche zu einem wichtigen Machtfaktor der russischen Gesellschaft geworden. Kein Präsident kann zum Patriarchen auf Distanz gehen. Die Kirche sucht und braucht die Unterstützung des Staates. Erst vor drei Jahren wurde an Russlands Schulen wieder der Religionsunterricht eingeführt.

Präsident Dmitrij Medwedjew zeigte sich am Wahltag überzeugt, "dass die Entscheidung des Landeskonzils fruchtbar sein wird für die Beziehungen zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und dem Staat".

Im Vatikan wird mit Spannung erwartet, ob der neue Patriarch einen engeren Dialog mit der katholischen Kirche erlaubt. Alexij II. hat sich während seines 18-jährigen Patriarchats stets gegen einen Besuch des Papstes in Russland gesträubt. Kirill traf Benedikt XVI. bereits mehrmals, unter anderem nach dessen Wahl.

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