Süddeutsche Zeitung

Rücktritt von Benedikt XVI.:Von Machtfragen und Rentenansprüchen

In der an Ritualen so reichen katholischen Kirche gibt es für diesen Fall kein Regelwerk. Was trägt ein pensionierter Papst? Bekommt er eine Rente? Und wie mächtig wird Benedikt nach seinem Rücktritt bleiben?

Von Andrea Bachstein, Felicitas Kock, Katrin Derler und Lena Jakat

Wird Benedikt seinen Nachfolger beraten, wie das zum Beispiel ein ehemaliger Bundeskanzler tut?

Einen offiziellen Beraterposten wird der scheidende Papst nicht bekommen. Abhängig von Persönlichkeit und Erfahrung seines Nachfolgers ist es aber durchaus möglich, dass er Benedikt hier und da im Vertrauen um Rat bittet. Zum Beispiel in der Causa des geheimnisumwitterten Kardinalsberichts zum Vatileaks-Skandal. Am 17. Dezember hatte eine zur Untersuchung der Affäre eingesetzte dreiköpfige Kommission Papst Benedikt ihren zweiten Bericht überreicht.

Darin soll von homosexuellen Seilschaften und Erpressungsversuchen die Rede sein. Medienberichte hatten das Papier, das außer Benedikt nur sein Nachfolger lesen darf, vergangene Woche mit dem Rücktritt des Papstes in Verbindung gebracht. Gut möglich, dass der Neue auf dem Stuhl Petri seinen Vorgänger in dieser heiklen Angelegenheit um Hilfe bittet. Und Benedikt dürfte ihm diese Bitte wohl nicht abschlagen.

Wie mächtig wird Benedikt noch sein?

Benedikt XVI. tritt nicht nur von seinem Amt als Papst zurück, sondern zieht sich vollständig ins Gebet zurück - aus allen Funktionen. Er wird kein Bischof und kein Kardinal mehr sein, keinem Gremium der Kurie mehr angehören. Josef Ratzinger, der eigentlich nicht Papst werden wollte, ist es allerdings nie um politische Macht gegangen, sondern höchstens darum, ob seine theologische Botschaft fortwirkt.

Ob die Würdenträger, die Benedikt auf wichtige Posten berufen hat, dort bleiben, ist eine andere Frage. Seinen Privatsekretär Georg Gänswein machte der Papst erst vor kurzem zum Erzbischof - und zum Präfekten des Päpstlichen Hauses. Letzteres wird Gänswein vorerst auch bleiben. Der Präfekt ist eines der höchsten Ämter im Vatikan, die nicht an die Dauer des Pontifikats gebunden sind. Der Präfekt ist bei Abschluss des Konklaves neben den beiden stellvertretende Innen- und Außenministern des Kirchenstaats eine von drei Personen, die als erste Zugang zum neu gewählten Kirchenoberhaupt haben, um mit ihm die drängendsten Angelegenheiten zu besprechen. Ob und wann der neue Papst Gänswein mit einem seiner eigenen Vertrauten ersetzt ist völlig offen.

Wird er für die Gläubigen noch erreichbar sein?

Er werde künftig "verborgen" sein, hat Benedikt verkündet, aber der Kirche und den Gläubigen nah. Das ist freilich im übertragenen Sinne gemeint. Schon während seiner Amtszeit konnten die Gläubigen Benedikt schließlich nicht einfach so ihre Aufwartung machen. Er war einer der bestbewachten Männer der Welt, und daran wird sich nicht viel ändern. Zwar stellt die Schweizer Garde mit dem offiziellen Ende des Pontifikats am Donnerstag um 20 Uhr ihren "öffentlichen Dienst" für den Papst vor den Toren der Residenz südlich von Rom ein. Die Gardisten werden jedoch auch weiterhin darauf achten, dass kein Nicht-Bürger ohne Termin oder Verabredung in den Vatikanstaat gelangt. Und die Gendarmerie des Vatikan wird ihren Wachdienst für Benedikt fortsetzen.

Was trägt Benedikt jetzt? Weiterhin papstweiß? Oder bischofsschwarz?

Wie kleidet sich ein ehemaliger Papst? Keine reine Stilfrage, sondern auch formal gesehen ein Problem: Welche Farben darf ein Papst nach seinem Rücktritt überhaupt tragen? Rot ist den Kardinälen vorbehalten, Weiß wiederum dem Pontifex. Sein Bruder Georg Ratzinger vermutete jedoch, dass Benedikt sein weißes Gewand nicht mehr ablegen würde. Da es keinen Präzedenzfall gab, musste die Entscheidung des Vatikans abgewartet werden. Diese gibt dem Papstbruder nun recht: Vatikan-Sprecher Frederico Lombardi sagte, ein "einfacher weißer Talar" werde Ratzinger nach dem 28. Februar kleiden. Seine roten Schuhe würden durch braune ersetzt - konkret jene, die er im vergangenen Jahr von einem Schuhmacher in Mexiko geschenkt bekommen hat.

Kriegt der Papst eine Rente?

Ein Papst arbeitet für "Gottes Lohn" und bekommt daher kein Gehalt. Zwar berichtete die italienische Tageszeitung La Stampa, Benedikt würde von März an monatlich 2500 Euro Rente erhalten. Wahrscheinlicher ist aber, dass der emeritierte Papst keine Pension im klassischen Sinne erhält. Wie schon während seines Pontifikats stellt der Vatikan Benedikt auch weiterhin Kost und Logis. Auch die Tantiemen aus dem Verkauf seiner Bücher stehen dem Papst emeritus nicht zur direkten persönlichen Verfügung. Sie fließen in Fonds, aus dem Benedikt wohltätige und wissenschaftliche Organisationen seiner Wahl unterstützt.

Wie spricht man den Papst künftig an?

Was wird aus dem "Heiligen Vater", wenn er nicht mehr der "Heilige Vater" ist? Eine viel gestellte Frage, die Vatikan-Sprecher Federico Lombardi gerade noch rechtzeitig zwei Tage vor dem Rücktritt Benedikt XVI. beantwortete. Wer sich in Zukunft an das ehemalige Oberhaupt der katholischen Kirche wenden will, sollte dies mit der Anrede "Emeritierter Papst" oder "Römischer emeritierter Pontifex" tun. Man werde Joseph Ratzinger aber auch weiterhin mit "Eure Heiligkeit" ansprechen können. Dies sei seine persönliche Entscheidung gewesen: "Er hat gesagt, so möchte er sich nennen" berichtete Lombardi. Zuvor hatte es längere Zeit geheißen, der zurückgetretene Papst werde sich "Emeritierter Bischof von Rom" nennen.

Wo wohnt er?

Nach seinem Rücktritt geht es für Benedikt XVI. zunächst in die päpstliche Sommerresidenz nach Castel Gandolfo nahe der italienischen Hauptstadt Rom. Dort wird er sich etwa zwei Monate aufhalten - so lange, bis die Renovierung des Klausurklosters Mater Ecclesiae abgeschlossen ist und er dort einziehen kann.

Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. ließ das Kloster 1992 in den vatikanischen Gärten errichten. In den oberen Etagen des dreistöckigen Gebäudes gibt es zwölf Zellen. Sie sind spärlich eingerichtet, mit hölzernen Kruzifixen und religiösen Gemälden an den Wänden. Im Erdgeschoss befinden sich neben einer Kapelle ein Wohn- und Aufenthaltsraum, eine Bibliothek sowie eine Küche. Seit Jahren leben und arbeiten Schwestern verschiedener Orden aus aller Welt in dem Kloster. Umgeben ist es von den vatikanischen Gärten, in denen seltene Rosenarten blühen, Paprika, Zucchini, Kohl, Zitronen und Orangen wachsen - und in denen der Papst schon während seiner Amtszeit gerne spazieren gegangen ist.

Warum lässt sich der Papst nach seinem Rücktritt nicht in Bayern nieder?

Erstens lebt er schon sehr, sehr lange in Rom - nämlich seit er Anfang 1982 Präfekt der Glaubenskongregation wurde. Zweitens wäre es wohl eher schwierig, etwa in Benedikts Geburtsort Markt am Inn ein geeignetes Domizil zu finden, in dem sowohl für die Sicherheit des emeritierten Papstes garantiert werden könnte, das gleichzeitig aber auch die nötige Abgeschiedenheit böte, in der Benedikt in Ruhe und Würde altern könnte. Dafür eignet sich ein Kloster im Vatikan einfach besser.

Benedikts Seele könnte irgendwann allerdings trotzdem nach Bayern zurückkehren: So sagte er vergangenes Jahr beim Weltfamilientreffen in Mailand, dass er sich das Paradies so ähnlich vorstelle wie seine Jugendzeit in Oberbayern. "In diesem Sinn hoffe ich, nach Hause zu kommen, wenn ich einmal in den 'anderen Teil der Welt' übergehe", so Benedikt damals.

Wie schlecht geht es Benedikt gesundheitlich wirklich?

Ganz genau weiß das niemand. Der Vatikan gibt keine offiziellen Erklärungen darüber ab, wie es um den Gesundheitszustand des Papstes bestellt ist. Bekannt ist, dass Benedikt XVI. seit einigen Jahren an einer Hüftarthrose leidet und nur noch unter großen Beschwerden zu Fuß gehen kann. Das Papamobil nimmt ihm deshalb die weiten Wege ab. Kürzlich kam außerdem an die Öffentlichkeit, dass er seit Längerem einen Herzschrittmacher trägt.

Einige Experten wissen jedoch angeblich mehr. So schrieb der italienische Vatikan-Reporter Marco Tosatti am Mittwoch auf seinem Blog Vatican Insider, Benedikt sei auf einem Auge fast blind und leide zudem an Bluthochdruck. Der 85-Jährige habe oft Schlafprobleme und sei auf Auslandsreisen in der Vergangenheit mehrfach aus dem Bett gefallen. Deshalb habe der Arzt des Papstes empfohlen, Flugreisen einzuschränken und auf den Transatlantikflug zum diesjährigen Weltjugendtag in Rio de Janeiro zu verzichten. Tosatti bezieht sich dabei auf vertrauliche Informationen aus dem direkten Umfeld des Papstes.

Nimmt er sein Personal mit?

Georg Gänswein wird zeitweise - insofern es sein Amt als Präfekt des Päpstlichen Hauses zulässt - bei Benedikt wohnen und ihm auch weiterhin als Privatsekretär zur Verfügung stehen. Auch die vier Schwestern der katholischen Laienvereinigung "Memores Domini", die dem scheidenden Papst bislang den Haushalt führten, werden ihn in sein neues Domizil begleiten.

Und überhaupt: Was will er den lieben langen Tag tun?

Dass das zurückgetretene Kirchenoberhaupt in Mater Ecclesiae ein völlig zurückgezogenes Leben führen wird, glaubt Federico Lombardi nicht. "Ich gehe nicht davon aus, dass er zum Einsiedler wird", sagte der Vatikansprecher. Benedikt XVI. habe "oft gesagt, dass er sein hohes Alter dem Schreiben und Studieren widmen will". Der 85-Jährige selbst sagte, er wolle "von der Welt zurückgezogen" leben. Auch in seinem letzten traditionellen Angelus-Gebet vor zehntausenden Gläubigen auf dem Petersplatz kam er auf seinen künftigen Lebenswandel zu sprechen: "Gott hat mich gerufen, auf den Berg zu steigen, um mich noch mehr dem Gebet und der Meditation zu widmen." Bei dem Berg handelt es sich um den Vatikanhügel, auf dem das Klostergebäude steht und von wo aus Benedikt XVI. einen guten Blick auf die Peterskirche und auf Rom haben wird.

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