Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Mehr Neandertaler wagen

Die Wirbelsäule des ausgestorbenen Steinzeitmenschen und Homo sapiens unterscheidet sich offenbar weniger als gedacht. Warum das eine gute Nachricht für alle ist, die unter Rücken leiden.

Von Alexander Menden

"Isch hab Rücken" war eine der Standardbeschwerden von Hape Kerkelings schnauzbärtiger Kunstfigur Horst Schlämmer. Jeder kriegt irgendwann mal Rücken. Und eigentlich wissen wir auch alle, was man tun sollte, um Hexenschüsse oder Bandscheibenvorfälle zu vermeiden: in die Knie gehen beim Heben schwerer Gegenstände. Weniger sitzen. Gerade halten, um muskulären Dysbalancen vorzubeugen. Mancher kontert solche Ratschläge mit dem Hinweis darauf, dass der Rücken, wie die Knie, eben eine Designschwachstelle sei. Der Körper sei nur für zirka 40 Jahre ausgelegt, dann fange er unweigerlich an auseinanderzufallen. Alles genetisch also.

Für solche Rückenschmerz-Querdenker gibt es jetzt Neuigkeiten aus der Steinzeit: Einer Studie der New York University zufolge bestätigen Neandertaler-Fossilien, dass die Rückenschmerzen unserer Tage selbstverschuldet sind. Lange dachte man, dass sich die Krümmung der unteren Wirbelsäule beim Neandertaler von der beim postindustriellen Menschen unterscheide. Tatsächlich aber hatte er einfach eine gesunde Wirbelsäule, die sich von der des vorindustriellen Homo sapiens überhaupt nicht unterschied, hat nun der Anthropologe Scott Williams herausgefunden. Das heißt: Die heute überall anzutreffende, "moderne" Krümmung der Wirbelsäule ist schlicht auf ein Verkeilen der Wirbel und der Bandscheiben in den letzten 200 Jahren zurückzuführen. Und diese Verkeilung, man ahnt es, verdanken wir wiederum verringerter körperliche Aktivität, schlechter Haltung beim Sitzen auf zu weichen Möbeln und verkümmertem Rückengewebe.

Die einzig richtige Entgegnung auf "Isch hab Rücken" lautet also von nun an: "Sei watt mehr Neandertal!"

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