Sprache im Fernsehen:Es ist nur eine Phrase, Hase!

Jan Hofer moderiert 'RTL Direkt'

Jan Hofer moderiert abwechselnd mit Pinar Atalay die Nachrichtensendung "RTL Direkt".

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Seit Jahren beglücken uns Fernseh-Moderatorinnen und -Moderatoren mit ihren individuellen Abschiedsfloskeln. Jetzt auch noch Jan Hofer. Muss das denn sein?

Von Martin Zips

Als Billy Wilder mit den Dreharbeiten zu seiner Komödie "Some like it hot" so gut wie fertig war, da fehlte ihm nur noch ein origineller Schlusssatz. Jack Lemmon sitzt also, als Frau verkleidet, neben Joe E. Brown als Millionär Osgood im Motorboot. Osgood stoppt in der Filmszene seine Annäherungsversuche nicht, also zieht sich Lemmon irgendwann genervt die Frauenperücke vom Kopf und brüllt: "Du kapierst es nicht, Osgood! Ich bin ein Mann!" Und was soll jetzt Osgood antworten? "Well, nobody's perfect", schlägt Wilders Ko-Autor I. A. L. Diamond vor. Langweilig, befindet Billy Wilder, aber nimmt den Satz am Ende doch. Denn einen besseren findet er einfach nicht.

Gute letzte Sätze sind eine Herausforderung. Sie müssen zugleich Conclusio wie Ausblick sein. Am besten so etwas Geniales wie "... und seh'n betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen" aus Bert Brechts "Der gute Mensch von Sezuan".

Woraus sollen wir denn nun "das Beste" machen?

Der ehemalige öffentlich-rechtliche Nachrichtensprecher Jan Hofer bemüht sich derzeit auch um einen so genialen Schlusssatz. Am Ende der von ihm gesprochenen (ansonsten nicht weiter erwähnenswerten) Magazin-Sendung "RTL direkt" sagt er: "Machen wir alle das Beste daraus." Und da seine Sendung gleich viermal die Woche läuft, wird sich Jan Hofer vermutlich nun viermal die Woche mit diesem kleinen Rausschmeißer vom Fernsehpublikum verabschieden. Das langfristige Ziel der Redaktion dürfte darin bestehen, diesen Versuch einer Conclusio samt Ausblick zu einer neuen "Catchphrase" des Fernsehens zu machen, also zu etwas wie es "Just One More Thing" bei Peter Falk als Fernsehinspektor Columbo war, "Palim Palim" bei Dieter Hallervorden oder "That's hot" bei Paris Hilton. Ein unverwechselbares Markenzeichen, so wie einst das "Guten Abend allerseits" des "Sportschau"-Moderators Heribert Faßbender. Ein Running Gag, wie "Ich sage ,Ja' zu deutschem Wasser!" in der "Harald-Schmidt-Show". Nur eben am Schluss einer Sendung.

Dieter Kronzucker moderiert das ZDF Heute Journal aus Mainz

"Guten Abend und vielleicht bis morgen": Diesen Satz hatte Dieter Kronzucker am Schluss des "Heute Journal" in den Achtzigern übrig.

(Foto: Rolf Hayo/Imago Images)

Allerdings handelt es sich bei dem von Jan Hofer moderierten Format "RTL direkt" um ein Nachrichtenmagazin - und nicht um eine Spaßsendung. Also stellt man sich hier schon sehr ernsthaft die Frage: Woraus, bitte, sollen wir denn nun "das Beste" machen? Meint der Moderator vielleicht die drei Millionen Impfdosen, die bald vernichtet werden könnten, da sie offenbar niemand haben will? Meint er die Waldbrände in Südeuropa oder seinen (leider völlig gescheiterten) Versuch, ein Interview mit dem klugen Soziologen Gerald Knaus zum Thema Afghanistan durch ein billiges "Satire"-Einsprengsel des Komödianten Philip Simon aufzuheitern?

Interessant ist er aber schon, so ein Schlusssatz. War es dem "Tagesthemen"-Moderator Ulrich Wickert mit seinem "Ihnen einen angenehmen Abend und eine geruhsame Nacht" in den 1990er-Jahren noch gelungen, uns Zuschauern ein zumindest flüchtiges Lächeln ins Gesicht zu zaubern, so steigen wir heute mit Ingo Zamperonis Floskel "Bleiben Sie zuversichtlich" schon deutlich unruhiger ins Bett. Was, wenn man gerade einfach nicht zuversichtlich bleiben kann? Da fühlt man sich zwischen Twitter, Küche und Badezimmer doch schon wieder so, wie damals in den von RAF, Kaltem Krieg und Tschernobyl geprägten 1980er-Jahren, als ein Dieter Kronzucker am Schluss des von ihm moderierten "Heute Journal" für die Zuschauer letztlich auch nur noch ein "Guten Abend und vielleicht bis morgen" übrig hatte.

Nur "vielleicht"? Was, bitte, ist das für ein Ausblick?

Jana Pareigis neu bei den ZDF-´heute"-Nachrichten

Moderatorinnen gibt es, bei den Expertinnen sieht es schon schlechter aus: Jana Pareigis ist seit Juli bei der ZDF-Sendung "heute" zu sehen.

(Foto: Svea Pietschmann/dpa)

Aber natürlich muss man ihn jetzt auch nicht überstrapazieren, den Schlusssatz der deutschen TV-Poesie. Er kommt und geht, genauso wie Tom Buhrow in den "Tagesthemen". Sein ebenfalls nicht unbedrohliches "Morgen ist ein neuer Tag" verschwand, als Buhrow als WDR-Intendant anscheinend dringender die wunderbar inkorrekte Interview-Sendung "Zimmer frei!" abzuschaffen hatte. Auch das wohlige "Ade" des SWR-Anchorman Dieter Fritz wird irgendwann selbst am Bodensee vergessen sein. So, wie "Das war's für heute" des hochgelobten Hanns-Joachim Friedrichs längst Geschichte ist. Allein das "Machen Sie's gut" einer Petra Gerster in der 19-Uhr-"Heute"-Sendung hat offenbar überlebt. Auch ihre Nachfolgerin Jana Pareigis verabschiedet sich so.

Nina Ruge lieferte den Wendepunkt

Ein unbestrittener Wendepunkt des Schlusssatzes in der deutschen Fernsehgeschichte jedenfalls dürfte das vieldeutige "Alles wird gut" der Moderatorin Nina Ruge im ZDF-Boulevard-Magazin "Leute heute" gewesen sein (ab 1997). Das war dann entweder ironisch gemeint oder auch nicht - wer's nicht kapierte, der war vielleicht zu doof. Hauptsache Markenzeichen, so wie das Hochziehen der gesichtseigenen Augenbraue der ZDF-Moderatorin Ilka Brecht am Ende einer jeden "Frontal 21"-Sendung. Ein öffentlich-rechtliches "I'll be back" des deutschen Investigativ-Journalismus' sozusagen. Und: Die Typen aus der Marketingabteilung mögen sowas natürlich auch.

Leute heute: Nina Ruge

"Alles wird gut", sagte Nina Ruge in "Leute heute". Womöglich war das ironisch gemeint.

(Foto: Thomas R. Schumann/ZDF)

Also: "Machen wir alle das Beste daraus." Dann kommen wir auch sicher, wie "Tagesthemen"-Moderator Thomas Roth einst so gerne am Ende seiner Sendung sagte, "gut durch die Nacht". Und wir enden nicht wie Jean-Paul Belmondo in "Außer Atem", wo der Schlusssatz ja wenig heiter lautete: "Du bist wirklich zum Kotzen". Man könnte natürlich auch endlich mal all das berücksichtigen, was einem schon vor Jahrzehnten der "Löwenzahn"-Moderator Peter Lustig empfohlen hat: "So, liebe Kinder. Und jetzt: abschalten!" Recht hatte er. Weniger Licht im Fernsehgerät ist: "Mehr Licht" im Leben ("Mehr Licht"! Die letzten Worte Goethes!).

Und nun: Denken wir ruhig mal wieder an den großen Filmregisseur Billy Wilder zurück. Denn der fasste sein langes, wirklich ereignisreiches Leben auf seinem Grabstein schlicht wie folgt zusammen: "Nobody's perfect." Gute letzte Sätze leben eben ewig.

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Jana Pareigis moderiert ´heute"

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