Royaler Nachwuchs in Großbritannien:Wait for Kate

Endlich ist es so weit: Kate, die Herzogin von Cambridge bringt ihr erstes Kind zur Welt. Die Royalisten sind aus dem Häuschen, die Berichterstattung der Reporter nimmt groteske Züge an - nur die neue Nummer drei der Thronfolge lässt auf sich warten.

Von Christian Zaschke, London

Zwischen fünf und sechs Uhr am Montagmorgen waren gewaltige Donnerschläge über London zu hören. Die Hitze, die sich seit Tagen in der Stadt staut, hatte zu einem Gewitter geführt, das zwar beeindruckend laut war, aber nicht die erhoffte Abkühlung brachte.

Royalisten mag das morgendliche Donnerkrachen wie ein Fingerzeig aus den Himmeln erschienen sein: Denn zwischen fünf und sechs Uhr morgens hatte sich Kate, die Herzogin von Cambridge, ins Krankenhaus fahren lassen, um ihr Kind zur Welt zu bringen. Ganz gleich ob Mädchen oder Junge: Das Kind von Kate wird Nummer drei in der britischen Thronfolge sein, hinter Prinz Charles und Kates Ehemann William, dem Herzog von Cambridge.

Das Ehepaar erreichte das Saint-Mary's-Krankenhaus im Stadtteil Paddington fast unbemerkt. Lediglich zwei Fotografen waren auf einen besonders unauffälligen Wagen aufmerksam geworden, der am Nebeneingang gehalten hatte. Sie verbreiteten ihre Erkenntnis im Internet, und dann dauerte es nicht mehr lange, bis Kensington Palace, der Wohnsitz des Paares, eine Erklärung herausgab: "Ihre Königliche Hoheit, die Herzogin von Cambridge, ist heute morgen mit einsetzenden Wehen ins St.-Mary's-Krankenhaus, Paddington, London, eingeliefert worden. Die Herzogin ist mit dem Herzog von Kensington Palace aus im Auto zum Lindo-Flügel des Krankenhauses gefahren."

Diese Nachricht sollte die letzte des Palastes bis zur Geburt sein, hieß es, und sie löste unter britischen und internationalen Medien eine Art Stampede aus. Bereits früh am Morgen war gegenüber dem Lindo-Flügel kein Quadratzentimeter Boden mehr zu finden auf dem nicht entweder eine Kamera oder ein Fernsehmensch stand, der in eine Kamera sagte, dass es im Moment noch nichts Neues gebe.

Photographers fix remote-controlled camera to a pen in front of the Lindo Wing of St Mary's Hospital, where Britain's Catherine, Duchess of Cambridge entered to give birth in London

Alle Kameras sind auf den Lindo-Flügel des Krankenhauses gerichtet.

(Foto: REUTERS)

Bereits seit dem 1. Juli waren die besten Plätze reserviert gewesen; manche amerikanische Journalisten erzählten stolz, dass sie seit diesem Tag fast ununterbrochen vor dem Krankenhaus ausharren. Eine besondere Meisterschaft in der Vermittlung des Nichts entwickelte der BBC-Journalist Simon McCoy, der in sanfter Selbstironie wieder und wieder sagte: "Die Medien der Welt sind hier, um die Nachricht zu verbreiten, dass es keine Nachrichten gibt. Niemand von uns wird heute exklusive Nachrichten verkünden. Das macht allein Buckingham Palace." McCoy hielt wie Hunderte weitere Journalisten dennoch tapfer bei Temperaturen von mehr als 30 Grad aus.

Sie alle warteten darauf, dass ein Angestellter des Palastes das Krankenhaus mit einem Schriftstück verlassen würde. Bei dem Schriftstück würde es sich um eine von den Ärzten unterschriebene Geburtsurkunde handeln. Das traditionelle Prozedere geht wie folgt: Der Angestellte fährt, begleitet von einer Motorradeskorte der Polizei, zum Buckingham Palace. Dort wird auf Papier des Palastes vermerkt, welches Geschlecht das Baby hat und wie viel es wiegt.

Dieses Bulletin wird dann auf einer besonderen Staffelei platziert, die wiederum im Vorhof des Palastes aufgestellt wird. Erst in diesem Moment ist bekannt, ob es sich um Junge oder Mädchen handelt. Genau so sind schon die Geburten von William und seinem Bruder Harry verkündet worden.

William gilt als stur

Williams Name wurde erst einige Tage nach der Geburt verkündet, Harrys Namen verrieten die Eltern Charles und Diana hingegen gleich nach der Geburt. Wie es nun Kate und William halten wollen, ist nicht bekannt. Der Palast äußerte sich zu dem Thema dahingehend, dass er sich zum dem Thema explizit nicht äußern werde.

Das gilt im Übrigen für fast alles, was mit der näheren Zukunft des Kindes zusammenhängt. Spekuliert wird, dass William, Kate und Kind rund sechs Wochen bei Kates Eltern in Berkshire verbringen könnten. Der Palast schweigt dazu. Als möglich gilt auch, dass die drei nach Balmoral in Schottland fahren, wo die Queen am Wochenende ihren Sommerurlaub antritt. Der Palast schweigt dazu ebenfalls.

Der Palast schweigt

Vielleicht bleiben die jungen Eltern auch in London? Oder begeben sich in die Abgeschiedenheit von Wales, wo William als Rettungshubschrauberpilot stationiert ist? Oder sie reisen vollkommen überraschend in ein bis dato vollkommen unbekanntes Dorf an der Küste des Ostens. Was auch immer sie tun: Der Palast schweigt.

Es ist durchaus möglich, dass das auch daran liegt, dass der Palast keine Ahnung hat. William gilt als stur, und vielleicht hat er sich in den Kopf gesetzt, in den Wochen nach der Geburt mit seiner Familie ein wenig Privatheit zu genießen. Zumindest in den ersten beiden Wochen, danach muss er zurück zum Dienst.

British Royal Baby Birth

Auch die Royalisten warten gespannt aufs Baby.

(Foto: dpa)

Vor dem Lindo-Flügel fanden sich im Laufe des Montags die üblichen, komplett in den Farben des Union Jacks gewandeten Exzentriker ein. Die amerikanischen Fernsehleute waren kurz davor, spitze Schreie der Begeisterung auszustoßen, und unterzogen die Exzentriker langen, sehr langen Interviews, was diese gerne geschehen ließen.

Am frühen Nachmittag tauchte ein Mann mit einem Megafon auf und fragte die Reporter-Hundertschaften, ob sie eigentlich noch ganz bei Trost seien. Sie sollten mal ihre Paradigmen überprüfen. Warum sie wegen dieses einen Babys hier seien, wenn nicht nur Tausende andere Babys geboren würden, sondern es auch viel wichtigere Themen gebe. Die Reporter machten nicht den Eindruck, als ob sie ihre Paradigmen überprüften. Sie harrten aus.

Kate hat davon im Inneren des Sant-Mary's-Krankenhauses vermutlich nichts mitbekommen. Der private Lindo-Flügel verfügt über eine der luxuriösesten Geburtsstationen des Landes. Geburt und eine Übernachtung im Deluxe- Raum kosten rund 5000 Pfund, dazu kommen die Honorare für die Ärzte, die sich auf 6000 Pfund belaufen können. Eine Zusatzübernachtung kostet 1050 Pfund.

Das Beste beider Welten

Wenn es statt des Deluxe-Raums eine Suite sein soll, wird es noch einmal deutlich teurer. Nach der Geburt bietet das Krankenhaus den Gästen des Flügels Glas Champagner an, um auf den Nachwuchs anzustoßen.

Solche Vorzüge wissen die Royals zu schätzen. William und Harry sind ebenso im Lindo-Flügel geboren worden wie weitere Mitglieder der königlichen Familie. Der Rest von Saint Mary's ist ein normales staatliches Krankenhaus, nur der Lindo-Flügel ist exklusiv. Das hat für die betuchte Kundschaft den Vorteil, dass sie, falls etwas mit der Privatgeburt schiefgeht, auf die vom Staat bezahlte intensivmedizinische Versorgung samt staatlichem Personal zurückgreifen kann. Zyniker würden sagen: Für die Reichen bietet es das Beste beider Welten.

Am Nachmittag begannen die Reporter-Hundertschaften, sich gegenseitig zu interviewen. Sie erzählten einander, warum sie die royale Geburt so herbeisehnten. Für Kate und William ist die Geburt sicherlich ein sehr beglückendes privates Ereignis. Ihre öffentliche Aufarbeitung vor dem Krankenhaus wirkte hingegen eher grotesk.

Der Guardian hat eine elegante Lösung für all diejenigen gefunden, denen die lückenlose Baby-Berichterstattung im Königreich auf die Nerven geht. Am Kopf der Webseite der Zeitung können Leser anklicken, ob sie die Version für Royalisten oder für Republikaner lesen wollen: Ein Klick, und das royale Baby ist von der Webseite und ins Private verschwunden.

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