Rotlichtviertel in Indonesien:Tauschbörse für HIV

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Prostiuierte Indonesien

Wer in den 13. Bezirk von Jakarta kommt, den die Bewohner "Royal" nennen, sucht billigen Sex. Sieben bis elf Euro nehmen die Prostituierten pro Freier.

(Foto: The Global Fund/Ed Wray)

Die Kluft zwischen billigem Sex und traditionellen, islamischen Werten sorgt in Indonesien für ein massives Problem: HIV verbreitet sich rasend schnell, besonders in den Rotlichtvierteln, Aufklärung gibt es kaum. Eine verfahrene Situation.

Von Clemens Markus

Für Diane Sukagoni beginnt die Schicht um neun Uhr. Jeden Abend sitzt die 24-Jährige in einem der Cafés im Norden Jakartas und wartet auf Kunden, auch in dieser Nacht wird sie bis vier Uhr in der Früh drei bis fünf Freier bedienen. Diane Sukagoni ist eine von 20.000 Prostituierten in Indonesiens Hauptstadt und sie kann sich noch gut erinnern an den Tag, an dem sie ihr Heimatdorf in Westjava verließ. Überwältigt sei sie gewesen von dem Millionenmoloch, sagt sie, und beschämt, weil sie kam, um ihren Körper zu verkaufen.

Geld verdient sie genug

Vier Jahre ist das jetzt her, und wenn sie sich noch einmal entscheiden könnte, so sagt die Muslima, würde sie zu Hause bleiben bei ihren beiden Kindern und ihren Eltern. Doch damals schien es ihr eine gute Möglichkeit zu sein, schnell gutes Geld zu verdienen, nachdem sie ihr Mann verlassen hatte. Geld verdient sie, genug für das Leben in Jakarta und genug, um die Familie zu Hause zu unterstützen.

Ihr Arbeitsplatz ist der 13. Bezirk zwischen Flughafenautobahn und Schnellbahnlinie, den die Bewohner der Stadt nicht ohne Ironie "Royal" nennen. Die Häuser schachteln sich in- und übereinander, ein Gewirr winziger Gässchen durchzieht das Viertel, das eigentlich Rawa Bebek heißt. Ungesund faulig riecht es hier, und es ist noch deutlich dampfiger als anderswo in Jakarta, weil die schäbigen Häuschen so eng beisammen stehen, dass zwei Erwachsene in den unbeleuchteten Gassen nicht aneinander vorbeikommen. 3000 Menschen leben und 300 Prostituierte arbeiten in Rawa Bebek, die jüngsten 16 Jahre alt. Wer nach Rawa Bebek kommt, sucht günstigen Wohnraum in einem der Schwarzbauten, und wer nach "Royal" kommt, sucht billigen Sex. Meist sind es die Seeleute aus dem nahen Hafen oder die Lastwagenfahrer von der Autobahn.

Mehr Test, höher Infektionsraten

Natürlich ist das Sexgewerbe im größten muslimischen Land der Welt, vorsichtig ausgedrückt, nicht wohl gelitten. Doch sorgt sich die indonesische Regierung vor allem, weil die schäbigen Rotlichtviertel eine Tauschbörse für HIV sind. Seit 2006 ist die Zahl der Infektionen um das Dreifache nach oben geschnellt, was auch daran liegt, dass inzwischen immer mehr Menschen getestet werden. Doch 2011 trugen nach UN-Angaben 380.000 Indonesier das HI-Virus in sich, das sind 0,3 Prozent der 15- bis 49-Jährigen.

Früher war Aids hier vor allem ein Problem der harten Drogenszene. Seit immer weniger Heroin gespritzt wird und immer mehr Süchtige Amphetamine nehmen, hat sich das geändert. Mittlerweile ist ungeschützter Sex die Hauptübertragungsursache für das Virus. Im ersten Halbjahr 2012 führte das Gesundheitsministerium 73 Prozent der Neuinfektionen darauf zurück.

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