50 Jahre rote Karte:Simpel strafen

Schiedsrichter

Effektive und seit 50 Jahren allgemein akzeptierte Bestrafung: die rote Karte.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Jeder kapiert sie, alle akzeptieren sie: Die rote Karte ist das ideale Sanktionsinstrument. An ihrer Effizienz könnten sich Flensburger Punkte, Lehrerbriefe und die Corona-Ampel ein Beispiel nehmen.

Von Oliver Klasen

Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein Fehltritt, den Friedel Lutz, damals Spieler von Eintracht Frankfurt, am 3. April 1971 an einem gegnerischen Braunschweiger beging. "Ich habe ihm lustvoll in den Hintern getreten", sagte Lutz 35 Jahre später in einem Kicker-Videointerview. Das Fußballmagazin hatte beide 2014, bei Apfelschorle und Kuchen im holzgetäfelten Hobbyraum, noch einmal zusammengebracht: Lutz, den ersten Spieler, der in einer Bundesliga-Partie die rote Karte sah, und Wilfried Hilker, den damaligen Schiedsrichter, der Lutz vom Platz gestellt hatte.

Zur Rückrunde 1970/71 hatte die Bundesliga das System der gelben und roten Karten eingeführt, als Konsequenz aus der vorangegangenen WM 1966, bei der mündliche Platzverweise ausgesprochen wurden, die aber nicht immer befolgt wurden. So wie beim brutalen Duell zwischen England und Argentinien, als ein des Platzes verwiesener Spieler nach seinem Foul noch weitere neun Minuten auf dem Feld blieb. Der erste Bundesliga-Rotsünder Lutz war indes ein Gentleman: Er entschuldigte sich kurz danach für sein Foul und fiel in den darauffolgenden Jahren nicht mehr negativ auf.

50 Jahre ist sein Fauxpas jetzt her und - was soll man sagen - die rote Karte hat sich in all der Zeit durchaus bewährt. Niemand will sie haben, doch stellt auch niemand ihren Sinn infrage. Das Regelwerk ist so simpel wie bei der Ampel: Gelb = Achtung, Rot = Stopp. Es wurde in fünf Jahrzehnten nur leicht modifiziert und hat jede Menge Anekdoten hervorgebracht.

Eine vergleichbare Beständigkeit können andere Bestrafungssysteme nicht vorweisen. Das einst in der Schule praktizierte "Drei Mal Hausaufgaben vergessen, Brief an die Eltern" zieht heute unverzüglich einen Brief vom Anwalt der Eltern nach sich. Das Punktesystem im Flensburger Verkehrszentralregister wurde von diversen CSU-Verkehrsministern so oft geändert, dass niemand mehr durchblickt.

Ganz zu schweigen von der Corona-Notbremse, die allzu leichtfertige Lockerungen bestrafen sollte: Nun, es ist bekannt, wie das ausging. Womöglich wäre es besser gelaufen, wenn die Kanzlerin dazu befugt wäre, Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, die erst zustimmen und sich dann nicht an Absprachen halten, die rote Karte zu zeigen und sie in die Kabine zu verweisen. Auch das wäre möglicherweise ein Tritt in den Hintern gewesen, der in die Geschichte eingegangen wäre.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: