Roman Polanski in Haft:Ein filmreifer Plan

Die Verhaftung des Oscar-Preisträgers Roman Polanski in der Schweiz war seit langem geplant. Die Schweiz hat ein Auslieferungsabkommen mit den USA. Polanski selbst ahnte nichts.

Es wirkt wie eine Szene aus einem Hollywood-Blockbuster: Die Verhaftung des Star-Regisseurs Roman Polanski in der Schweiz ist im Vorfeld minutiös und geheim geplant worden, bevor am Wochenende die Handschellen klickten. Laut einem Bericht des Tages-Anzeigers aus Zürich, hatte die Staatsanwaltschaft in Los Angeles das Ersuchen der US-Behörden, den 76-Jährigen bei seiner Einreise in die Schweiz zu verhaften, schon am vergangenen Donnerstag gestellt.

Roman Polanski in Haft: Heute ist Roman Polanski 76 Jahre alt - im Jahr 1977 hat er eine damals 13-Jährige unter Alkohol und Drogen gesetzt und zum Sex überredet. Er hat die Tat zugegeben.

Heute ist Roman Polanski 76 Jahre alt - im Jahr 1977 hat er eine damals 13-Jährige unter Alkohol und Drogen gesetzt und zum Sex überredet. Er hat die Tat zugegeben.

(Foto: Foto: AFP)

Polanski wurde mehr als 30 Jahre nach der Tat am Samstag plötzlich festgenommen. Damit wird ein US-Haftbefehl aus dem Jahr 1978 vollstreckt, in dem ihm Sex mit der damals 13-Jährigen Samantha Geimer vorgeworfen wird. Der französisch-polnische Filmemacher hatte 1977 zugegeben, das Mädchen in der Villa seines Freundes Jack Nicholson mit Champagner und Drogen zum Sex verführt zu haben. Während des Verfahrens war er dann aber 1978 nach Frankreich geflüchtet - und hatte die USA seither gemieden.

Über das US-Justizministerium erreichte das Begehren die Schweizer Behörden. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Los Angeles, Sandi Gibbons, sagte der Zeitung, die Zusammenarbeit mit der Schweiz sei ausgezeichnet gewesen, die Behörden hätten sich "sehr kooperativ" verhalten. Die Schweizer Boulevardzeitung Blick berichtet, schon vor dem Ersuchen der USA habe die Kantonspolizei das Ministerium auf den bevorstehenden Besuch Polanskis in Zürich hingewiesen. Das Ministerium habe dann das eingegangene Haftersuchen streng vertraulich behandelt - um den Verhaftungserfolg nicht zu gefährden.

Der Strafverteidiger Lorenz Erni aus Zürich traf Polanski laut Blick noch in der Nacht hinter Gittern. "Herr Polanski war sehr müde. Er wirkte gefasst, zugleich aber auch schockiert", sagte Erni der Zeitung. Er wird Polanski in einem möglichen Auslieferungsverfahren an die USA vertreten. Der 76-Jährige sitzt im Bezirksgefängnis in Zürich in "provisorischer Auslieferungshaft". Er kann über seinen Anwalt alle rechtlichen Mittel gegen seine Auslieferung in die USA ausschöpfen und dabei bis vor das höchste Gericht der Schweiz, das Bundesgericht, gehen.

Der Zeitpunkt der Verhaftung war nicht zufällig

Die Schweiz hat mit den USA ein Auslieferungabkommen, Polanski wurde bereits 2005 von Interpol zur Fahnung ausgeschrieben. Die Information von Polanskis Besuch zum Filmfestival in Zürich hatte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Sandi Gibbons, eigenen Angaben nach dem Internet entnommen. Bereits zweimal habe die Staatsanwaltschaft von Reisen Polanskis in Länder erfahren, mit denen die USA ein Auslieferungsabkommen hätten. Der Regisseur müsse aber jeweils von den Bemühungen der Behörden erfahren haben und sei schließlich nicht gereist. Ähnlich hatte sich auch das zuständige Justizministerium in Bern geäußert.

Nach seiner Verhaftung soll Polanski zwei Anrufe getätigt haben. Seinen Anwalt habe er angerufen und Karl Spoerri, den Kodirektor des Festivals, berichtet die Zeitung weiter. Polanski habe sich bei Spoerri für die Umstände entschuldigt, die er dem Festival bereite.

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Polanski wusste von nichts

Die Anwälte des Oscar-Preisträgers sagten der Los Angeles Times, dass ihnen keine Information über die geplante Festnahme in der Schweiz vorgelegen habe. Polanski lebt in Paris, hatte die Schweiz aber seit Jahren regelmäßig besucht und besitzt der Los Angeles Times zufolge sogar ein Chalet in der Skiregion von Gstaad. Bevor die Handschellen klickten, war der Regisseur vom Filmfestival Zürich eingeladen worden und sollte am Sonntagabend für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden.

Roman Polanski in Haft: Das Opfer Samantha Geimer hat Roman Polanski die Tat mittlerweile öffentlich verziehen.

Das Opfer Samantha Geimer hat Roman Polanski die Tat mittlerweile öffentlich verziehen.

(Foto: Foto: AP)

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, dass das Strafmaß gegen Polanski sich nach kalifornischem Recht von 1977 richten würde. Vergewaltigung verjähre weder in den USA noch in der Schweiz, betonte die Schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Das habe die Schweizer Justiz zum Handeln gezwungen.

Polanski könne schon "in wenigen Tagen" dem Gericht in Kalifornien überstellt werden, wenn er seiner Auslieferung zustimme, so der Sprecher des Justizministeriums, Guido Balmer. Umgekehrt könnte sich das Verfahren in der Schweiz "Monate, wenn nicht sogar länger" hinziehen. US-Rechtsexperten zufolge könnte ihm eine Haftstrafe bis zu vier Jahren drohen. Für vorsätzliche Vergewaltigung gebe es keine Verjährung.

Polen bittet Hillary Clinton um Milde

Polanski stammt aus Polen, Mitte der siebziger Jahre nahm er die französische Staatsbürgerschaft an. Die Verhaftung Polanskis hat aber nicht nur in Polen und Frankreich, sondern weltweit Überraschung und massive Kritik ausgelöst. Der polnische Außenminister Radek Sikorski sagte der polnischen Nachrichtenagentur PAP, er und sein französischer Kollege Bernard Kouchner wollten bei US-Außenministerin Hillary Clinton um Milde bitten. Die französische Regierung zeigte sich überrascht über die Festnahme. Präsident Nicolas Sarkozy wünsche "eine schnelle Lösung der Lage". Polanskis Anwalt Georges Kiejman kündigte an, gegen die Festnahme Widerspruch einzulegen.

Die Verhaftung werde der Schweiz weltweit Schaden zufügen, kritisierte der Verband Filmregie und Drehbuch. Das Festival verschob die geplante Ehrung Polanskis "auf einen unbestimmten Zeitpunkt", wollte ihm aber wie geplant mit einer großen Retrospektive würdigen. Titel: Tribute to Roman Polanski.

Für Unverständnis sorgte die plötzliche Festnahme bei vielen auch deshalb, weil das damalige Opfer dem Regisseur längst öffentlich verziehen hat.

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