Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Obst und Spiele

Im alten Rom haben die Zuschauer im Kolosseum viel gesünder gespeist als Sportfans von heute, das zeigen neue Ausgrabungen. Eine mögliche Erklärung dafür: Irgendeiner muss immer leiden.

Von Marcel Laskus

Zu den unterschätzten Vermessern der Gegenwart gehört ein Twitterprofil namens "Footy Scran". Den Namen kann man recht frei übersetzen mit "Stadionnahrung", und genau das ist dort dann auch zu sehen: Da ist der "Double Smash Cheeseburger mit Bacon", der beim englischen Beverly FC 7,50 Euro kostet. Da ist die Currywurst mit Pommes bei Rot Weiß Ahlen für 3,50 Euro, übergossen mit reichlich Mayonnaise. Und seit Kurzem gehört auch das Chicken Schawarma zu den fotografisch dokumentierten Einträgen; acht Euro kostet es bei der WM in Katar. Die abgebildeten Speisen sehen zugleich lecker und kalorienreich aus, was wiederum einen Teil der Erklärung dafür liefert, warum der Bauch des zeitgenössischen Sportzuschauers so weit über die Gürtellinie hinaushängt, wie er es eben tut.

Leider reicht das Archiv nur bis zum April 2020 zurück. Als umso wertvoller sind deshalb die jüngsten Fundstücke aus der antiken Entertainment-Hauptstadt Rom einzuordnen. Dank ihnen gibt es in der historischen Kartografie der Stadion-Imbissbuden nun eine Leerstelle weniger. Archäologen haben in den Ruinen des Kolosseums Walnussschalen, Olivenkerne und Überreste von Obst gefunden - Essbares, das in der Nährwertpyramide bis heute vorbildliche Plätze einnimmt. So gesund haben die Zuschauer vor 2000 Jahren also gespeist.

Muss man deshalb als Fan, für den die kalorienreichen Pommes mit dreifach Mayo zum Stadionbesuch einfach dazugehören, neidvoll in die Vergangenheit blicken? Nicht unbedingt. Vielleicht wollten die alten Römer mit ihren leichten Snacks auch nur der Brutalität etwas entgegensetzen, die sie im Innenraum der Arena zu sehen bekamen. Abertausende Tiere und Menschen starben bei den meist erzwungenen Kämpfen. Heute ist das zum Glück anders, denn heute leiden andere Körper, nämlich die der Zuschauer. Das aber immerhin freiwillig.

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