Rolle des Kapitäns bei Havarie der "Costa Concordia":Ermittler rätseln über mysteriöse Frau an Schettinos Seite

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Als die "Costa Concordia" auf einen Felsen auffuhr, soll der Kapitän in Begleitung einer Frau gewesen sein, die nicht auf der offiziellen Passagierliste stand: In italienischen Medien werden immer neue, vermeintliche Verfehlungen des Kommandanten angeprangert. Familie und Freunde nehmen den 52-Jährigen indes gegen die harsche Kritik in Schutz.

Sein Mandant sei kein Feigling oder Krimineller, wurde Bruno Leporatti am Mittwoch zitiert. Der Anwalt hat keine leichte Aufgabe in diesen Tagen: Er ist der Rechtsbeistand von Francesco Schettino, dem Kapitän der Costa Concordia. Die italienische Staatsanwaltschaft wirft dem 52-Jährigen mehrfache fahrlässige Tötung, Herbeiführung einer Havarie und Verlassen des Schiffs während der Evakuierung vor. Doch damit nicht genug: Beinahe stündlich werden in italienischen Medien neue vermeintliche Verfehlungen des Kommandanten laut. Da tut ein öffentliches Wort der Verteidigung not.

Francesco Schettino bei seiner Festnahme am Samstag: Mittlerweile melden sich auch Stimmen, die den Kapitän der Costa Concordia in Schutz nehmen. (Foto: AP)

Jüngste Anschuldigung: Die Costa Concordia soll - mit Wissen des Kapitäns - blinde Passagiere an Bord gehabt haben. Mit einer Frau, die sich nicht auf der Passagierliste befindet, war der Kommandant nach eigenen Angaben zum Zeitpunkt des Unglücks zusammen. Das berichtet die italienische Zeitung La Repubblica unter Bezug auf Vernehmungen Schettinos.

La Stampa zufolge gab der Kapitän an, kurz vor der Havarie am Freitagabend vor der Insel Giglio mit Domnica Cemortan, einer 25-jährige Moldawierin, am Eingang zur Kommandozentrale gestanden zu haben. Er habe sie jedoch nicht mit auf die Brücke genommen. Auch habe nicht er selbst die junge Frau heraufgebeten, vielmehr sei sie von einem anderen Offizier auf die Brücke eingeladen worden.

Weil sie nicht im Verzeichnis der Passagiere stehe, werde die junge Frau jetzt von den Ermittlern gesucht, heißt es weiter. Diese gehen offenbar davon aus, dass weitere von der Besatzung eingeladene Personen als blinde Passagiere an Bord gewesen sein könnten.

"Ich denke, er hat außergewöhnliche Arbeit geleistet"

Für das Personal von Kreuzfahrten sei es kein Geheimnis, dass Kapitän und Offiziere diskret "in gewisser Zahl" Freunde oder Verwandte auf ihr Schiff einladen könnten, ohne dass diese offiziell registriert seien, schrieb die Zeitung. Diese im Fall der Costa Concordia zu ermitteln, sei nicht unwichtig, denn es könne auch die Verwirrung bei der Zahl der Vermissten erklären.

Der Schiffsbetreiber Costa Crociere hat sich mittlerweile gegen den Vorwurf gewehrt, das Kreuzfahrtschiff habe blinde Passagiere an Bord gehabt. Cemortan sei sehr wohl regulär eingecheckt gewesen, hieß es von Seiten der Reederei.

Auch der vermeintlich blinde Passagier selbst hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Sie sei zum Zeitpunkt des Unglücks mit Schettino zusammen gewesen, sagte die 25-Jährige La Repubblica zufolge in einem Interview im moldawischen Fernsehen. Gemeinsam hätten sie vielen Passagieren geholfen, verteidigte Cemortan den Kapitän demzufolge. "Ich denke, er hat außergewöhnliche Arbeit geleistet. Die ganze Mannschaft denkt das, er hat mehr als dreitausend Menschen gerettet."

Auch Familie und Freunde springen Schettino mittlerweile bei. Nachbarn des unter Hausarrest stehenden Kapitäns sagten Reportern des Corriere della Sera, der 52-Jährige habe ihnen gegenüber zugegeben, einen Fehler begangen zu haben. Es sei aber nicht richtig, dass er den Passagieren nach der Havarie nicht geholfen habe. Gegenüber Freunden soll sich der viel kritisierte Kommandant mit den Worten verteidigt haben: "Ich habe meine Pflicht getan, es stimmt nicht, dass ich abgehauen bin."

Seinen Job ist der Kapitän los

Schettinos Schwager hat eine ganz eigene Interpretation der Geschehnisse: "Er hat das Schiff nur verlassen, um die Schäden zu kontrollieren. Er hat eine größere Tragödie verhindert", sagte er dem Corriere della Sera.

Zumindest eine Gewissheit soll es demnächst geben: In etwa zehn Tagen sollen die toxikologischen Untersuchungen abgeschlossen sein, die Aufschluss über einen möglichen Drogenkonsum des Kapitäns geben. Dies wurde aus Justizkreisen in Grosseto bekannt, berichtet die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Ausgeschlossen scheine es, dass Schettino während der Havarie betrunken war, hieß es.

Seinen Job ist Schettino dennoch erst einmal los: Costa Crociere teilte am Donnerstag mit, man habe den Kapitän der Costa Concordia mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert.

© Süddeutsche.de/dpa/jobr/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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