Rockerkrieg:Krieg der Türsteher

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Bizarre Szene: Sechs Männer in schwarzem Leder stehen in Erfurt im Gerichtssaal. Den Mitgliedern der "Bandidos" werden Körperverletzung und ein Mordversuch vorgeworfen.

Christiane Kohl

Zahlreiche Polizeifahrzeuge parkten vor dem Erfurter Landgericht, Beamte patrouillierten in den Gängen, und vor dem Gerichtssaal musste sich jeder Besucher einer Leibesvisitation unterziehen.

Militante Motorradrocker: Mitglieder der "Bandidos" stehen seit Montag in Erfurt vor Gericht. (Foto: Foto: ddp)

Zum Prozessbeginn gegen führende Mitglieder des Jenaer Rockerclubs "Bandidos" hatte das Gericht schärfste Sicherheitsvorkehrungen verfügt. Denn nur wenige Tage zuvor hatte eine Messerstecherei Schlagzeilen gemacht: Ein Mitglied der "Bandidos" hatte in Erfurt einen Rocker der "Hells Angels" niedergestochen, lebensgefährlich verletzt konnte sich der "Hells Angel" gerade noch in ein Motorradgeschäft retten.

Die Tat konnte am Montag nicht Gegenstand der Anklage sein. Doch die Liste von Gewaltdelikten, die Oberstaatsanwalt Thomas Rieber im Gericht verlas, ließ trotzdem auf ein erhebliches Potential von Brutalität schließen.

Den sechs Angeklagten werden unter anderem Nötigung, schwere Körperverletzungen, Einschüchterungen und ein Mordversuch vorgeworfen. Überdies wird die Rockergruppe bezichtigt, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Dem Staatsanwalt zufolge wird der Club mit einer "strikten Befehlsstruktur" geführt, die "Bandidos", so Rieber "wollen die Vormachtsstellung in der Türsteher-, Tattoo- und Rotlichtszene" in Mittelthüringen erringen.

Insgesamt 150 Delikte

Der Prozess ist nicht das einzige Verfahren gegen die Jenaer "Bandidos". Nach Angaben von Rieber gehen etwa 150 Delikte auf ihr Konto, wobei es sich vorrangig um Einbrüche handele. So seien aus Supermärkten oder Möbelhäusern ganze Tresore gestohlen worden.

Angeführt wird der Club von dem aus Singen stammenden Janez E. Der arbeitslose Maschinenbaumechaniker war vor einigen Jahren nach Thüringen gekommen, um eine Ortsgruppe der "Bandidos" zu gründen. E. nennt sich "Präsident" des Clubs, der zwar "Bandidos Jena" heißt, seinen Sitz aber in einem Vorort von Weimar hat. Laut Anklage mussten die Mitglieder schon für ihn Fassadenfarbe klauen, "im Wert von 500 Euro". Damit sollte das Häuschen gestrichen werden, in dem E. bürgerlich wohnt. Er ist der einzige Angeklagte, der sich noch auf freiem Fuß befindet.

Der "Präsident" lieferte sich zunächst mit dem Gericht ein Scharmützel um seine Kleidung: Entgegen der Verfügung des Gerichts war er in seiner Rockerkluft gekommen. Erst nach Androhung eines Ordnungsgeldes zog er die "Kutte" aus.

© SZ vom 12.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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