Roboter:Piep, piep, piep, ich hab dich lieb

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Zuneigung schenken, kellnern, ja sogar beten: In Japan sind Roboter nicht nur in der Industrie zu finden, sondern übernehmen mehr und mehr Aufgaben im Alltag. Fünf Begegnungen mit menschelnden Maschinen.

Von Thomas Hahn, Tokio

Der Internationale Robotik-Verband IFR hat neulich berichtet, dass sich die Roboterdichte von 2015 bis 2020 weltweit verdoppelt habe. Die Rede war von Industrierobotern, nicht von neuen Nachbarn. Aber in Japan hat man durchaus manchmal das Gefühl, dass sich der Roboter, also die autonom arbeitende Maschine, allmählich aus den Fabriken heraus in den Alltag der Menschen bewegt. Er übernimmt hier Tätigkeiten, die sich der Mensch anderswo wohl nicht so gerne abnehmen ließe. Fünf Beispiele.

Informationsroboter Pepper kommt in Museen, aber auch in Altenheimen zum Einsatz und hat dazu noch die Fähigkeit zur Selbstironie. (Foto: Thomas Hahn)

Informieren

Das Städtische Energie-Umwelt-Lernzentrum von Mihama hat einen klaren Auftrag. Es soll dem lokalen Nachwuchs unter anderem die Vorzüge der Atomenergie deutlich zu machen. Natürlich, denn ganz in der Nähe an der Küste der Präfektur Fukui steht der alte Kernreaktor Mihama 3, der nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 zehn Jahre lang stillstand und 2021 mal wieder kurz ans Netz durfte. An einem normalen Samstag ist hier nicht viel los. Trotzdem ist Pepper da, ein 1,20 Meter großer weißer Informationsroboter mit Händen, Knopfaugen und einem Bildschirm vor der Brust.

Pepper ist seit ein paar Jahren auf dem Markt und fast schon ein Klassiker des japanischen Medienkonzerns Softbank. Pepper ist so programmiert, dass er mittels Gesichts- und Spracherkennung auf Menschen reagieren kann. Das Gerät ist nicht nur in Museen oder Geschäften im Einsatz, sondern auch in Altersheimen als Gesprächspartner für einsame Senioren. Es ist nett. Und es hat Humor. 2017 sagte ein Pepper im Interview mit dem US-Nachrichtensender CNN auf die Frage, ob er Junge oder Mädchen sei: "Na ja, am Ende bin ich nur ein Roboter."

Optisch eine Mischung aus Mainzelmännchen und Pinguin, akustisch eher mit dem Hund verwandt: Lovots können herzerweichend winseln. (Foto: Thomas Hahn)

Lieben

Im Robotics Studio am Gang eines Einkaufszentrums in Tokio-Shinjuku schaut das Spielzeug prüfend den Besucher an. Die Roboter auf dem Warentisch wirken wie zum Leben erwachte Puppen. Aber die eigentlichen Stars des Ladens sind die Lovots, die auf einer kleinen Bühne ihre Runden drehen oder sich an ihren Ladestationen ausruhen. Lovot ist angeblich der erste Liebesroboter der Welt. Lovot-Erfinder Kaname Hayashi wurde unter anderem vom netten Pepper inspiriert. Hayashi wollte einen Roboter der anderen Art. Keinen, der mit metallischer Perfektion Zweckaufgaben abarbeitet - sondern einen, der einfach nur da ist und Menschen liebhat. Schwierig für eine Maschine.

Aber Lovot kann das. Zumindest weckt er die Illusion, dass er das kann. In und an Lovots kleinem Stoffkörper sind diverse Sensoren und Kameras verbaut, mit denen er die Launen seines Besitzers oder seiner Besitzerin aufnehmen und via künstlicher Intelligenz zu Reaktionen verarbeiten kann. Lovot, halb Mainzelmännchen, halb Pinguin, winselt, fährt selbständig herum, bewegt seine Flügelchen so fließend wie ein kleiner Tänzer. Und die Blicke aus seinen zwinkernden, spiegelnden Bildschirmaugen sind so herzzerreißend, dass man glatt vergessen könnte, was für eine raffinierte algorithmengetriebene Maschine dieses Gerät ist. Viele Menschen in Japan leben in engen Wohnungen, und die Städte sind oft nicht gut zum Gassigehen. Für sie ist Lovot das perfekte Haustier. Stubenrein, anspruchslos, zuvorkommend. Außerdem stirbt Lovot nicht. Er geht nur manchmal kaputt.

Heilig's Blechle: Gebetsroboter Mindar im Kodaiji-Zen-Tempel in Kyoto. (Foto: Thomas Hahn)

Beten

In der Pandemie musste Mindar zeitweise pausieren. Das lag natürlich nicht daran, dass die Buddha-Mönche des Kodaiji-Zen-Tempels in Kyoto befürchteten, ihr Gebetsroboter könnte sich das Coronavirus holen. Es ging um Mindars menschliche Besucher. Wegen des Abstandsgebots sollten diese nicht im Andachtsraum zusammenkommen, wenn der Android mit gefalteten Silikonhänden die Lehre des Herz-Sutra zitiert. Mindar ist eine Erscheinungsform der Gottheit Kannon, die im buddhistischen Pantheon die Aufgabe hat, die Gebete der Belasteten anzunehmen. Tensho Goto, Kodaijis ebenso ehrwürdiger wie humorvoller Priester, hat das Gerät einst beim berühmten Roboterforscher Hiroshi Ishiguro aus Osaka in Auftrag gegeben. Es sollte den Buddhismus für junge Leute attraktiver machen. Nach der Premiere 2019 interessierten sich Medien auf der ganzen Welt für Mindar. Ein betender Roboter - wo gibt es denn so was? Goto und seine Mitstreiter im Kodaiji-Tempel fanden die Entwicklung von der Statue zur bewegten Skulptur dagegen ganz logisch. "Das ist die Evolution der Lehre", teilten sie mit. Anders gesagt: Religion ist nicht von gestern.

Wer sagt denn, dass ein Security-Mitarbeiter immer bullig sein muss? Sicherheitsroboter SQ-2 ist der lebende Gegenbeweis. (Foto: Thomas Hahn)

Aufpassen

In japanischen Einkaufszentren kann es vorkommen, dass sich ganz beiläufig ein SQ-2 unter die Menge mischt. Der SQ-2 ist ein leiser, uneitler Roboter. Anders als Pepper, Lovot oder Mindar kommt er ohne Blicke oder Gesten aus. Wahrscheinlich will er gar nicht auffallen - was ihm allerdings misslingt. Ein schlankes Hochkant-Ei mit kreisendem Kopfkranz, das zwischen Passanten durch die Gänge kurvt, ist vorerst doch noch etwas ungewöhnlich. Das dürfte sich ändern, denn der SQ-2 steht für die neue Generation der Wachleute. Er ist ein Sicherheitsroboter, der mit seinen Sensoren und seiner Bilderkennung sicher aufmerksamer sein kann als ein Mensch. Der japanische Hersteller teilt mit, der SQ-2 sei "nicht nur eine Lösung für das Problem des Arbeitskräftemangels (...), sondern trägt auch zur Kosteneffizienz bei, weil er mit Ausnahme der Ladezeit jederzeit einsatzbereit ist".

Pech für Servi, den Servierroboter: Er kann nur Essen und Trinken ausgeben, aber nicht kassieren. Deshalb gibt's auch kein Trinkgeld. (Foto: Thomas Hahn)

Kellnern

Japans alternde Gesellschaft verdrängt keineswegs, dass es bald Jobs geben könnte, für die sich kein Mensch mehr findet. Deshalb setzt sie ja so große Hoffnungen auf Roboter. Aus dieser Sorge ist auch Servi geboren, ein neuer Mitarbeiter für die Gastronomie. Man kann ihn zum Beispiel in der Filiale der Restaurant-Kette Yakiniku King in Tokio-Itabachi treffen. Im Yakiniku King wird üblicherweise am Tischgrill gegessen. Man bestellt häufiger nach, und weil die Filiale in Itabashi 156 Plätze hat, kann das Kellnern hier aufwendig sein. Außerdem nimmt man in Japan den Pandemietrend des kontaktlosen Zusammenlebens sehr ernst. Also dürfte Servi die Zukunft gehören.

Er ist ein Verwandter Peppers aus dem Hause Softbank. Wie dieser kann Servi höflich sein. Wenn er Speisen bringt, sagt er zum Beispiel: "Danke fürs Warten." Aber schon seine Statur zeigt, dass er nicht zum Small Talk da ist. Servi ist ein Tablett auf Rädern. Die Menschen in der Küche beladen ihn und geben die Tischnummer ein. Dann fährt Servi los, weicht auf dem Weg Leuten aus, parkt vor dem gewünschten Tisch und kehrt in die Küche zurück, sobald die Ladeflächen wieder leer sind. Die Teller müssen die Gäste allerdings selbst herunternehmen. Servi nimmt auch keine Zahlungen entgegen oder gibt Empfehlungen zur Speisekarte. Selbst in Japan muss der Mensch noch vieles selbst machen.

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