Süddeutsche Zeitung

Robert Habeck:Locker vom Hocker

Der Grünen-Co-Chef posiert beim Fotoshooting lässig mit dem Fuß auf einem Gitarrenschemel. In ähnlichen Posen ließen sich schon antike Könige in Reliefs meißeln. Eine Stilkritik.

Von Violetta Simon

Berühmte Männer und ihre Fußschemel - eine lange Geschichte. Seit Jahrtausenden stützen sich Landesherrscher auf ein solches Accessoire. Eine antike Reliefplatte zeigt König Barrakib von Sam'al, Sohn des Panammuwa, der um 700 vor Christus seine Füße darauf abstellte, einfach, weil sie sonst vom hohen Thron in der Luft gebaumelt wären.

Dabei ist ein Fußhocker so viel mehr als eine bloße Stütze, ja oftmals verleiht sie bedeutenden Personen erst ihre würdevolle Erscheinung. Gerade wenn nur ein Fuß darauf positioniert wird, wie etwa von Wilhelm IV., König von Großbritannien und Hannover. Ein Gemälde von Martin Archer Shee zeigt ihn um 1800 in Admiralsuniform. Seine linke Hand stützt sich auf ein Fernrohr, das wiederum senkrecht auf seinem Oberschenkel ruht. Das geht nur, weil Wilhelms Bein angewinkelt ist und sein linker Fuß auf einem Felsvorsprung steht. Das Ergebnis ist ein überaus kecker Hüftschwung, hervorgebracht durch eine Schieflage des Beckens, wie man sie bereits von Michelangelos David kennt: Standbein, Spielbein - in der Kunst spricht man von Kontrapost.

Nun ist natürlich nicht immer ein Felsvorsprung vorhanden, wenn man mal einen braucht, weshalb den zu porträtierenden Monarchen gern ein Fußschemel aus Holz, bezogen mit feinstem Samt, zu Füßen gestellt wurde.

Kein König, Kanzler, Gitarrist - trotzdem lässig

Robert Habeck ist zwar kein König und wird, nachdem er Annalena Baerbock den Vortritt gelassen hat, nun nicht einmal Kanzler werden, aber das Schemelprinzip funktioniert bei ihm trotzdem. Kürzlich bat das Flensburger Tageblatt den Grünen-Vorsitzenden zum Interview, ein Fotograf setzte Habeck in Szene. Die Grünen wiederum teilten auf Instagram ein Foto davon, wie das Foto gemacht wurde: Habeck, schwarzes Hemd vor schwarzem Hintergrund, hat seinen linken Unterarm locker auf den rechten gelegt, der seinerseits auf Habecks linkem Knie liegt. Der Extremitätenstapel funktioniert aber nur, weil Habecks linker Fuß auf einer Art Miniaturbügelbrett steht, das sich bei näherem Hinsehen als Fußbank für Gitarrenspieler erweist.

Nur spielt Habeck gar nicht Gitarre, nicht dass man wüsste jedenfalls, und schon gar nicht beim Interview. Nun, offenbar war gerade kein Fußhocker aus Mahagoni mit Schneckenfüßen und geschnitzten Bossen zur Hand. Womöglich stand die Fußbank gerade herum, übriggeblieben vom Interview mit einem Flensburger Songwriter.

Auf jeden Fall erfüllte sie ihre Pflicht, indem sie Habecks lässig-arrangierten Oberkörper daran hinderte, nach vorne ins Nichts zu kippen. Eine beeindruckende Haltung ist ja grundsätzlich begrüßenswert, selbst wenn sie die Gesetze der Statik ignoriert. Solange niemand den Schemel unterm Fuß wegzieht.

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