Robben-Fangquoten in Kanada:Gnadenlose Jagd

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Zahllose Robben ballen sich in Neufundland an immer weniger Orten. Zugleich droht ihnen andere Gefahr: Kanada hat die Fangquote für die Tiere stark erhöht.

Bernadette Calonego, Anchor Point

Die Bewohner des kanadischen Fischerdorfes Anchor Point in Neufundland sind derzeit Zeugen eines äußerst seltenen Phänomens: Tausende Robben, viele davon Mütter mit Babys, liegen auf Eisschollen in Sichtweite ihrer Häuser. Der Wind hat das Eis und die Tiere direkt an die Nordwestküste Neufundlands getrieben. Selbst alte Leute können sich nicht erinnern, dass Robben je so nahe in ihre Häfen gelangt sind und dort ihre Nachkommen geboren haben. Noch sind diese Tiere sicher, denn die Robbenjagd vor den Küsten der kanadischen Insel Neufundland wird frühestens Ende März eröffnet.

Trotz des Importverbots von Robbenprodukten in der Europäischen Union ist Kanadas Regierung entschlossen, die von Tierschützern als grausam kritisierte Jagd fortzusetzen. Das kanadische Fischereiministerium hat nun sogar die Fangquote für diese Saison um 50.000 Tiere erhöht: Insgesamt dürfen 388.200 Robben getötet werden.

Rebecca Aldworth von der Tierschutzorganisation Humane Society International kritisiert vor allem die Jagd auf Sattelrobben als "ökologische Katastrophe". Für diese Säugetiere, die ihre Jungen auf den Schollen gebären, schmelze das Eis förmlich unter ihnen weg. Tatsächlich gibt es in diesem Winter extrem wenig Eis im Osten Kanadas. Viele Neufundländer haben zu ihren Lebzeiten nie einen solchen Eismangel erlebt. Deshalb mussten die Robben ihre Jungen so nahe der Küste gebären, wo sie noch Eis finden.

Im St.-Lorenz-Golf, wo normalerweise die Jagd Ende März beginnt, gibt es derzeit weder Eis noch Robben. Nur weit im Norden, an der Küste von Labrador, finden sich große Eismassen. Die Robben, die sich dort sammeln, werden aber für viele Jäger wegen der Distanz unerreichbar bleiben. Bereits letztes Jahr war schlecht für Kanadas Robbenjäger, weil der Preis pro Pelz mit rund neun Euro zu tief war. Nachdem die EU ab diesem Winter ein Importverbot für alle Robbenprodukte wie Felle, aber auch Omega-3-Öl verhängt hat, ist die Nachfrage deutlich eingebrochen. Bislang hat noch keine Firma im Osten Kanadas angekündigt, in dieser Saison Robbenfelle kaufen zu wollen.

Aber Kanadas Regierung will sich vom EU-Handelsverbot nicht einschüchtern lassen. In der Hauptstadt Ottawa wurde vor kurzem demonstrativ Robbenfleisch auf das Menü der Parlamentarier gesetzt. Fischereiministerin Gail Shea, der im Januar eine Tierschützerin eine Torte ins Gesicht geschmiert hatte, erklärte, die Robbenjagd sei nachhaltig. Die Population der Sattelrobben sei mit geschätzten 6,9 Millionen Tieren "mehr als dreimal so hoch wie in den siebziger Jahren".

Im Territorium Nunavut, der Heimat der kanadischen Inuit, will der Parlamentarier Fred Schell aus Rache den Verkauf von alkoholischen Getränken aus Europa verbieten lassen. Die EU ächtet die Robbenjagd der Inuit aber nicht.

© SZ vom 26.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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