Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Nicht sooo gut"

Der Kanadier Feigang Fei ist gerade in den sozialen Netzwerken mit seinem chinesischen Restaurant berühmt geworden. In seiner Speisekarte erklärt er auch, wenn ihm etwas nicht schmeckt.

Von Kerstin Lottritz

Mit Restaurantselbstbeschreibungen ist das so eine Sache: Meist schmeckt alles himmlisch, der Service ist zuvorkommend und der Preis moderat. Bei Feigang Fei, 42, ist das anders. Er ist vor 15 Jahren aus China nach Kanada eingewandert, in Montréal betreibt der Ingenieur das chinesische Restaurant "Aunt Dai", benannt nach der Tante eines Freundes. Seine Online-Speisekarte ist gerade dank einer Kundin im Internet sehr berühmt geworden. Darin kommentiert Fei jedes Gericht und gibt auch zu, wenn etwas besser sein könnte. Zum Beispiel schreibt er: "Wir sind noch nicht hundertprozentig zufrieden mit dem Geschmack" oder "Ich bin überrascht, dass einige Kunden immer noch diesen Teller bestellen."

SZ: Herr Fei, sind solche ehrlichen Kommentare üblich in kanadischen Restaurants?

Feigang Fei: Überhaupt nicht. Aber ich verstehe nicht, warum. In der chinesischen Küche gibt es viele verschiedene Gerichte, die aus vielen verschiedenen Zutaten gekocht werden, die mal scharf, mal süß, mal fettig sind. Ich stelle oft fest, dass die Leute ein Essen bestellen, aber es dann nicht das war, was sie eigentlich wollten.

Sie erklären Ihren Kunden also, wie chinesisches Essen schmeckt?

Die Leute denken oft, dass sie traditionelle chinesische Gerichte essen, dabei handelt es sich eigentlich um westliches Essen. Die traditionellen Gerichte wären viel zu scharf. Deshalb muss ich sichergehen, dass wir sie richtig informieren, damit sie ihr Geld nicht verschwenden oder unser Restaurant später schlecht bewerten.

Ihre Kommentare sind sehr ehrlich. Sie schreiben ja nicht nur, dass etwas scharf ist, sondern auch, wenn ein Gericht Ihrer Meinung nach besser sein könnte.

Ich koche nicht selbst, bis vor ein paar Jahren hatte ich überhaupt keine Erfahrung als Restaurantbesitzer. Mein Küchenpersonal hat also die Expertise. Ich kann ihnen nur sagen, dieses Gericht ist das meistbestellte in China, das sollten wir auch anbieten. Wenn sie eine Version davon kochen, die nicht meine Lieblingsversion ist, kann ich ihnen das nicht vorwerfen.

Aber Sie könnten ihnen sagen, dass sie es anders kochen sollen.

Von den süß-würzigen Schweinefleischstreifen gibt es bis zu neun verschiedene Varianten in China. Ich mag am liebsten die Version aus der Universitätsstadt, in der ich meine Frau kennengelernt habe. In anderen Regionen wird dieses Gericht ganz anders gekocht. Ich kann den Koch also nicht bitten. Er kann nur die Version zubereiten, die er am liebsten mag, sonst wird er nicht glücklich.

Wie kommt denn die Ehrlichkeit bei Ihren Kunden an?

Ich habe vor ein paar Jahren angefangen, die Gerichte zu kommentieren. Zuerst habe ich nur angegeben, wenn ein Essen besonders scharf ist. Irgendwann hatte ich ein bisschen mehr Zeit und habe dann ausführlicher über jedes einzelne Gericht geschrieben. Es kommen öfter Kunden, die sagen, dass sie meine Kommentare auf der Speisekarte lieben. Aber ich habe mir nichts weiter dabei gedacht, bis eine Kundin die Karte nun getwittert hat.

Das unterscheidet Sie natürlich von der Konkurrenz.

Ich glaube nicht, dass die Kommentare mein Restaurant zu etwas Besonderem machen. Ich finde es einfach nützlich, dass die Leute die Gerichte kennen, bevor sie etwas bestellen. Wir sind ein kleines Restaurant, nicht das beste am Ort. Ich glaube: Nirgendwo gibt es das leckerste Essen. Jeder Mensch hat seinen eigenen Geschmack. Das Einzige, was wir tun können, ist, gesundes und möglichst preiswertes Essen anzubieten.

Auf jeden Fall sind Sie mit Ihrem Restaurant jetzt berühmt.

Ich lerne jeden Tag, wie ich das Geschäft, den Service oder das Produkt verbessern kann. Und wenn ich mit meinem Restaurant Erfolg habe, ist das großartig. Wenn es fehlschlägt, akzeptiere ich das auch.

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