Felix Baumgartner:Mit Knall durch die Schallmauer - und dann Stille

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Der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner will sich auf mehr als 36.000 Meter Höhe bringen lassen - und sich dann in die Tiefe stürzen. Wenn alles glatt läuft, durchbricht er dabei als erster Mensch im freien Fall die Schallmauer. Was passiert in diesem Moment mit dem menschlichen Körper? Und wie groß ist das Risiko? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Benjamin Romberg

Wie fühlt sich ein Mensch, kurz bevor er in einen Heliumballon steigt, in die Stratosphäre aufsteigt, um von dort im freien Fall mit über 1100 Stundenkilometern gen Erde zu rasen? "Da ist durchaus auch Furcht, wie vor jedem Absprung", sagt Felix Baumgartner.

Der 43 Jahre alte Extremsportler will an diesem Dienstag als erster Mensch im freien Fall die Schallmauer durchbrechen ( Hier überträgt der Sponsor Baumgartners Rekordversuch Live). Nach wetterbedingter Verzögerung haben nun die Vorbereitungen zu dem Rekordversuch begonnen.

"Springen ist mein Leben und von diesem, genau diesem Sprung habe ich mein Leben lang geträumt", schwärmt der Österreicher, dem seine ungewöhnlichen Hobbys den Spitznamen "Fearless Felix" eingebracht haben. Vielen Menschen, die ein Durchbrechen der Schallmauer noch nicht in Erwägung gezogen haben, drängen sich da zwangsläufig einige Fragen auf.

Wie bereitet er sich vor?

Die Furcht sei kein Hindernis, erklärte Baumgartner, "sie sorgt nur dafür, dass wir es richtig machen." Fünf Jahre lang wurde der Sprung akribisch geplant. Ein Team von Wissenschaftlern hat den Rekordversuch durchgerechnet, Baumgartners medizinischer Berater Jonathan Clark hat sich bereits um die Gesundheit der amerikanischen Spaceshuttle-Astronauten gekümmert. Tragen wird Fearless Felix einen Raumanzug, wie ihn auch die Nasa auf ihren Missionen verwendet. Er soll ihn gegen Kälte (etwa minus 70 Grad Celsius), Luftdruck und Stöße schützen und die Sauerstoffversorgung sicherstellen.

Baumgartner selbst hat im Sommer bereits einen Testsprung unternommen - allerdings "nur" aus einer Höhe von 29.000 Metern. Dabei erreichte er eine Geschwindigkeit von 864 Kilometern pro Stunde - ein Tempo, mit dem Verkehrsflugzeuge unterwegs sind.

Für den Rekordversuch haben Ingenieure den größten bemannten Heliumballon der Geschichte gebastelt: 16.000 Quadratmeter Polyethylen-Folie wurden zusammengeschweißt, gerade einmal 0,02 Millimeter dick. Bereits in der Nacht hat die Crew mit dem Aufbau des Ballons begonnen, alleine das Befüllen dauert eine Stunde. Baumgartner nutzt die Zeit kurz vor dem Start, um reinen Sauerstoff zu atmen, so soll der Stickstoff aus seinem Blut verschwinden. Eine halbe Stunde vor Abflug setzt er sich dann in seine Kapsel. Und wartet.

Wie läuft der Sprung genau ab?

Am Dienstagnachmittag sollte Baumgartners Ballon in Roswell im US-Bundesstaat New Mexico abheben. Die Startzeit musste wegen des Wetters jedoch mehrmals nach hinten verschoben - jüngsten Angaben von Red Bull zufolge startet der Rekordversuch nun spätestens um 19 Uhr MESZ. Sollte dieser Zeitpunkt nicht eingehalten werden können, verschiebt sich die Aktion voraussichtlich auf Donnerstag.

Der Ballon soll nach dem Start so hoch wie möglich steigen - bis zu 40.000 Meter könne er erreichen, schätzt Ulrich Walter vom Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München. Er gehört zum Wissenschaftler-Team von Red Bull, das den Rekordversuch betreut und die nötigen Berechnungen vorgenommen hat. Wie hoch der Ballon aufsteigen kann, ist allerdings nicht sicher, denn ab einer bestimmten Höhe ist die Luft zu dünn, als dass das Helium im Ballon noch genug Auftrieb geben könnte.

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Wenn es nicht mehr höher geht, reduziert Baumgartner den Druck in seiner Kapsel, öffnet die Luke - und hüpft raus. Dann kann er nur noch hoffen, dass alles so läuft, wie es die Wissenschaftler berechnet haben. Nach 36 Sekunden, so die Berechnungen, durchbricht Baumgartner die Schallmauer. Die liegt in dieser Höhe bei etwa 1100 Kilometern pro Stunde.

Was passiert, wenn er die Schallmauer durchbricht?

Wie dieser Moment genau abläuft, ist schwer vorauszusagen. "Kein Mensch hat das bisher am eigenen Körper erfahren", sagt Walter. Die Luftmoleküle würden schlagartig komprimiert, die Luft werde so schnell beiseitegeschoben, dass dabei Schockwellen entstünden - genauso wie bei einem Jet, wenn er die Schallmauer durchbricht ( siehe Video). Baumgartner wird auch wie ein Flugzeug beim Durchbrechen der Schallmauer von einer Wolke umgeben sein und: Es gebe sogar einen Knall, sagt Walter. Für den menschlichen Körper entsteht in diesem Moment eine enorme Belastung: "Die Luftwirbel, die hinter dem Körper entstehen, schütteln ihn. Das ist so, als würde man auf einem Vulkan sitzen", erklärt Walter.

Dann werde es plötzlich still. Die Schockwellen lösten sich ab und der Schall komme nicht mehr hinterher. Man sei in einer lautlosen Umgebung - ein eigenartiges Gefühl, meint Walter. Man fliege in absoluter Stille.

Entscheidend sei, das der Anzug funktioniere, erklärt Rupert Gerzer, Leiter des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Dann sei die Gefahr nicht besonders hoch. "Die Geschwindigkeit an sich ist ja nicht gefährlich, wenn der Anzug funktioniert. Das ist so, wie wenn man in einem Verkehrsflugzeug fliegt - da merkt man ja auch nicht viel."

Das Problem: Die Aerodynamik des menschlichen Körpers ist anders als die eines Flugzeugs, er ist asymmetrisch. Durch den Luftwiderstand drehe sich der Körper, erklärt Walter. Wenn Baumgartner zu schnell durchgewirbelt werde, dann verliere er das Bewusstsein. Beim Testsprung habe er sich mit dem Bauch nach unten gedreht, sagt Walter, allerdings sei die Flugzeit zu kurz gewesen, um das Bewusstsein zu verlieren. Dieses Mal sei die Drehdauer höher.

Aber selbst wenn Baumgartner das Bewusstsein verliert, sieht Walter nicht zwangsläufig ein Problem: Durch das Schütteln beim Durchbrechen der Schallmauer würde er das Bewusstsein zurückerlangen. Und selbst, wenn Baumgartner die Kontrolle über seinen Körper dauerhaft verliere, ginge der Fallschirm automatisch auf. Allerdings könnte sich der Österreicher in den Leinen des Fallschirms verheddern, wenn er bewusstlos ist - und unkontrolliert zu Boden stürzen.

Dennoch hält Walter den Sprung an sich gar nicht für den gefährlichsten Moment. Viel kritischer sei der Moment, wenn die Gondel abhebt, und die erste Zeit danach. Sollte der Ballon gleich am Anfang einen Riss bekommen und die Kapsel abstürzen, dann kann Baumgartner seinen Fallschirm noch nicht benutzen. Dafür sei die Höhe zu gering, erklärt Walter.

Was ist, wenn etwas schiefgeht?

Ein Vorgänger Felix Baumgartners, der US-Luftwaffenpilot Joe Kittinger, der schon 1960 aus über 31.000 Metern aus einem Ballon sprang. (Foto: dapd)

Während der gesamten Mission hat Baumgartner sieben Ärzte zur Verfügung, sowohl am Boden als auch in einem Helikopter in der Luft. Die umliegenden Krankenhäuser sind außerdem über den Sprung informiert und haben Druckkammern für die Behandlung von Dekompressionskrankheiten eingerichtet, also Verletzungen, die bei zu hohem Druck oder zu schneller Druckentlastung auftreten.

Was ist, wenn alles gutgeht?

Wenn alles nach Plan läuft, bricht Baumgartner gleich mehrere Rekorde: Es wäre der höchste bemannte Ballonflug und der höchste Absprung mit Fallschirm. Den bisherigen Höhenrekord hält US-Luftwaffenpilot Joe Kittinger, der schon 1960 aus über 31.000 Metern aus einem Ballon sprang. Auch den Rekord für den längsten freien Fall würde sich Baumgartner sichern - und natürlich den für den schnellsten.

Warum macht er das?

Das ist vermutlich die Frage, die viele Menschen am meisten interessiert. Gleichzeitig ist sie vielleicht auch am schwierigsten zu beantworten. "Ich wollte schon immer an der Spitze stehen", sagt Baumgartner. "Mein ganzes Leben ist darauf ausgerichtet, dort hinzukommen. Aber je höher du kommst, desto tiefer fällst du. Davor fürchten sich die meisten Leute. Ich nicht." Schon mit 16 Jahren lernte der Österreicher Fallschirmspringen, beim österreichischen Militär machte er das Hobby dann zu seinem Beruf. Nach seiner Karriere bei der Armee wurde der gelernte Maschinenschlosser Profi-Basejumper.

Beim aktuellen Rekordsprung, sagt Baumgartner, möchte er auch Erkenntnisse für die Wissenschaft sammeln. Erfahrungen darüber, wie der menschliche Körper auf derartige Kräfte reagiert, könnten eines Tages Weltraumtouristen helfen, die wegen technischer Probleme aus großen Höhen abspringen müssen.

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