Süddeutsche Zeitung

Rekord-Fang von Spreewaldfischer:Wels der Wunder

2,25 Meter lang und 67 Kilogramm schwer: Wolfgang Richter hat mit einem Riesen-Wels den Fang seines Lebens gemacht. Er will ihn aber nicht essen, sondern ausstellen. Das bringt dem Berufsfischer jetzt Ärger ein. Ein Besuch im Spreewald.

Von Judith Liere

Er war ein noch nicht so alter Mann und fischte allein in einem Boot im Neuendorfer See, und seit 42 Jahren hatte er unzählige Fische gefangen.

So ähnlich würde die Geschichte des Spreefischers Wolfgang Richter anfangen, würde sie von Ernest Hemingway erzählt werden. Doch im Gegensatz zum Fischer Santiago aus der Novelle "Der alte Mann und das Meer" ist der Fischer Wolfgang Richter nicht glücklos. Wolfgang Richter, 59 Jahre alt, hat kürzlich den Fang seines Lebens gemacht: einen 2,25 Meter langen und 67 Kilogramm schweren Wels.

Einige Tage nachdem er den großen Fisch in sein Boot gehievt hat, sitzt Richter in Alt Schadow in seiner Spreewaldfischerei und wiegelt ab: "Ein Rekordwels war das nicht, da wurden schon größere gefangen. Ich wollte das auch eigentlich gar nicht so hochkochen." Mit "hochkochen" meint Richter, dass über sein Fischerglück quer durch Deutschland berichtet wurde. Er hatte den Fang der Lokalpresse und einer Fischereizeitung gemeldet, "weil so ein großer Wels für die Region schon etwas Außergewöhnliches ist. Deutschland- und europaweit ist das aber eher ein Durchschnittsfisch." Doch dann griff die Nachrichtenagentur dpa den Fall auf, und kurz darauf klingelte bei Richters dauernd das Telefon, weil Journalisten anriefen.

"Ich habe eine Achtung vor diesen Fischen"

Seit 42 Jahren arbeitet Richter als Berufsfischer, fast jeden Tag fährt er morgens um fünf Uhr hinaus auf den 328 Hektar großen Neuendorfer See, durch den die Spree fließt, und kontrolliert seine sechs Reusen. "Ich habe in meinem Leben schon sehr viele und auch große Welse gefangen", sagt er, sein vorletzter großer ging ihm 2011 ins Netz, 1,90 Meter lang, 49 Kilogramm schwer.

"Für mich ist der Wels etwas Mystisches, Geheimnisvolles", sagt der Fischer, "schon der Name klingt besonders." Ihn fasziniere die versteckte Lebensweise des Raubfisches und dass es relativ schwer sei, ihn zu fangen. "Ich habe eine Achtung vor diesen Fischen."

Mit 17 Jahren begann Richter seine Lehre als Binnenfischer, machte die Meister- und Ingenieurqualifikation und übernahm 1979 die Fischerei Neuendorfer See, die er heute mit seiner Frau und einem Angestellten betreibt, auf einem Grundstück, das schon seit 1511 als Fischereigehöft eingetragen ist. Er ist einer von etwa 700 hauptberuflichen Fischern in Brandenburg, wo der Beruf noch immer eine große Bedeutung hat, auch wenn die Zahlen leicht zurückgehen. Nach Angaben des Landesfischereiverbands kommt jeder dritte Binnenfischer in Deutschland aus Brandenburg.

"Ich bin dankbar, dass ich die guten Zeiten der Seen- und Flussfischerei noch erleben durfte", sagt Richter. Die guten Zeiten, das war für ihn, bevor der im Ausland gezüchtete Pangasius auf die Esstische kam und als es im Spreewald noch weniger Kormorane gab. Der Kormoran ist ein Reizthema für viele Fischer. Die Population des Wasservogels ist in den vergangenen 20 Jahren stark gewachsen, nach Meinung Richters und anderer Fischer sind ganze Fischbestände gefährdet. Der Vogel werde aus egoistischen Gründen geschützt, glaubt Richter. "Viele Naturschutzverbände sind ornithologisch dominiert. Den Vögeln hat sich dann alles andere unterzuordnen. Wenn man die Natur als ein Ganzes sehen und alle Tierarten gleichberechtigt einordnen würde, gäbe es weniger Probleme."

Richter ist auch Jäger. Im Eingangsbereich seines Hauses hängt der große Kopf eines selbst geschossenen Wildschweins, im Flur ein aus Kanada importiertes Elchgeweih und ein Wolfsfell. Über dem Schreibtisch im Arbeitszimmer prangt der Kopf einer Löwin, ein ausgemustertes Museumsexponat. Überall im Haus verteilt stehen alte Speere und Jagdutensilien aus vergangenen Zeiten, als man Tiere erlegen musste, um zu überleben. Eine Naturverbundenheit, die Richter gefällt. Deshalb hält er auch nichts von Hobbyanglern, die nur auf einen großen Fang aus sind, mit dem sie sich dann stolz fotografieren lassen. "Ich mache das, um den Fisch zu verkaufen oder ihn zu essen."

Bei seinem Riesenwels will Richter eine Ausnahme machen. Das Tier soll wissenschaftlich untersucht und präpariert und schließlich in seinem Verkaufsraum ausgestellt werden. "Damit auch andere Leute sehen können, was es in der Natur gibt, und sie mehr Verständnis entwickeln."

Anzeige von Peta

Gerade das aber kritisiert nun die Tierschutzorganisation Peta. Sie hat Richter bei der Staatsanwaltschaft Cottbus angezeigt, der Vorwurf: Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, Paragraf 17, Absatz 1: "Mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet." Peta wirft Richter vor, dass er den Fisch nicht gegessen hat. Bei einer Präparation handele es sich um keinen vernünftigen Grund. Der Fischer findet das "eine Frechheit". Die Staatsanwaltschaft räumt der Anzeige keine große Chance auf strafrechtliche Verfolgung ein.

Wie es mit dem Fischereibetrieb weitergeht, wenn Richter einmal in Rente geht, weiß er noch nicht. "Vor Jahren hätte ich noch gehofft, dass mein heute elfjähriger Enkel den Betrieb einmal übernimmt. Aber wenn man vernünftig ist, sollte man ihm davon abraten. Die Bedingungen werden immer schwieriger."

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SZ vom 09.07.2013/mer/rus
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