Reise durch drei Länder:Der Papst ist in Afrika - und riskiert damit sein Leben

Reise durch drei Länder: Die Bevölkerung der Zentralafrikanischen Republik freut sich auf den Besuch des Papstes.

Die Bevölkerung der Zentralafrikanischen Republik freut sich auf den Besuch des Papstes.

(Foto: AFP)

Mit seinem ersten Besuch auf dem Kontinent will er Hoffnung machen, wo Armut, Willkür und Gewalt herrschen.

Von Matthias Drobinski und Tobias Zick

Am Dienstagabend vor dem Abflug hat er, wie vor jeder Auslandsreise, vor der Marienikone in der römischen Kirche Santa Maria Maggiore für eine gute Rückkehr gebetet. Am Mittwochmorgen, das wiederum ist ungewöhnlich, haben elf ehemalige Zwangsprostituierte, die von italienischen Ordensfrauen betreut werden, Papst Franziskus verabschiedet. Das Gebet und die guten Wünsche kann der Papst gut gebrauchen: Bis zum Sonntag reist er durch Afrika, den vielfach verwundeten Kontinent, nach Kenia, Uganda, in die Zentralafrikanische Republik.

Schon bei den Reisen nach Israel und Palästina oder nach Bosnien konnte man sehen, was Franziskus meint, wenn er sagt, die Kirche müsse an die Ränder gehen. Mit dieser Reise macht er damit wirklich Ernst. Er fährt dorthin, wo Armut, Willkür, Korruption und Gewalt herrschen, wo Christen und Muslime einander bekämpfen - um von Hoffnung, Frieden und Gerechtigkeit zu reden. Er riskiert damit sein eigenes Leben, trotz aller Sicherheitsvorkehrungen.

Besuch im Flüchtlingslager und in der Moschee

Zu Beginn seiner Reise forderte der Papst einen entschlosseneren Kampf gegen Armut und Ungleichheit. Armut und Perspektivlosigkeit seien der Nährboden für Gewalt, Konflikte und Terrorismus, warnte Franziskus am Mittwoch nach seiner Ankunft in Kenias Hauptstadt Nairobi. In einer Rede vor Präsident Uhuru Kenyatta und weiteren Regierungsmitgliedern sagte er: "Ich fordere Sie insbesondere auf, wahre Sorge für die Bedürfnisse der Armen zu zeigen."

Papstreise

Die Stationen der Afrika-Reise von Papst Franziskus (SZ-Grafik).

Der Heilige Vater habe sich gewünscht, dass diese Reise in der Zentralafrikanischen Republik endet, heißt es aus dem Vatikan. In dem Krisenstaat stehen sich seit einem Putsch im März 2013 Milizen gegenüber, die sich als christlich und muslimisch verstehen, auch wenn sie eher politische und regionale Interessen vertreten oder schlicht perspektivlos sind. Tausende Menschen sind gestorben, Hunderttausende auf der Flucht.

Franziskus will den Blick der Weltgemeinschaft auf diesen wenig beachteten Konflikt und seine Opfer lenken. Er will ein Flüchtlingslager besuchen und die Zentralmoschee der Hauptstadt Bangui - ein Wagnis, dessen Wirkung niemand beurteilen kann.

Der Präsident des Islamischen Rates des Landes, Omar Kobine Layama, äußert sich wohlwollend: Der Papstbesuch werde "ein Schlüsselereignis für alle Zentralafrikaner sein, unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit". Seine Friedensbotschaft könnte "uns befreien und helfen, soziale Bindungen wieder herzustellen, die die verschiedenen bewaffneten Gruppen zerstört haben".

Andere dagegen fürchten, der Auftritt könnte im höchst angespannten Klima der Stadt neue Ausschreitungen provozieren. Ein Beobachter des Institute for Security Studies in Südafrika nennt den Besuch im Bürgerkriegsland einen "Stich in ein Hornissennest des religiösen Hasses", der "Sorgen um die persönliche Sicherheit des Papstes" wecke.

Hunderttausende Gläubige in Gefahr

Diese Sorge teilt auch die französische Armee, deren Truppen sich neben ungefähr 13 000 Blauhelmen der Vereinten Nationen mühen, die Lage im Land leidlich stabil zu halten. Man habe "die Behörden im Vatikan informiert, dass der Besuch von Papst Franziskus Risiken für ihn selbst birgt und für Hunderttausende Gläubige, die möglicherweise kommen, um ihn zu sehen", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters eine Quelle im Pariser Verteidigungsministerium.

Auch auf den beiden vorigen Stationen der Reise, in Kenia und Uganda, schwebt das Thema Sicherheit über allem anderen. Truppen beider Länder kämpfen in Somalia gegen die Islamistenmiliz al-Shabaab. Vor allem in Kenia rächt sich die Organisation immer wieder mit brutalen Attentaten. Im April töteten Kämpfer der Gruppe an der Universität Garissa mindestens 147 Menschen; seither leben auch die Studenten an der Universität der Hauptstadt Nairobi in ständiger Angst.

An diesem Donnerstagmorgen wird Papst Franziskus auf dem Campus die Heilige Messe halten. Viele Menschen werden dort darauf warten, dass der Papst kritische Worte an ihre eigene Regierung richtet. Das Land zählt zu den korruptesten des Kontinents. Nach der Einschätzung des prominenten Menschenrechts- und Antikorruptions-Aktivisten John Githongo ist Kenia unter dem heutigen Präsidenten Uhuru Kenyatta auf einem historischen Tiefpunkt angelangt: "Wir haben ein Ausmaß an Plünderei erreicht, das alles übertrifft, was wir in der Geschichte Kenias bislang gesehen haben", sagt Githongo. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fordert den Papst dazu auf, während des Besuchs daran zu erinnern, dass die Verantwortlichen der Unruhen nach den Wahlen Ende 2007, bei denen mehr als 1000 Menschen getötet und mehr als 600 000 vertrieben wurden, bis heute von der im Land "allgegenwärtigen Straflosigkeit" profitierten.

Die Reise auf den unruhigen Kontinent ist die erste Reise von Papst Franziskus dorthin, wo die Zahl der Katholiken so schnell wächst wie nirgendwo sonst auf der Welt. Als 1939 Joseph Kiwanuka als erster einheimischer Ugander zum Bischof geweiht wurde, gab es keine 20 Millionen Katholiken auf dem gesamten Kontinent. Nun sind es geschätzt mehr als 180 Millionen; die Zahl könnte sich in den nächsten 25 Jahren mehr als verdoppeln.

Der Papst wird auf seiner Reise Zehntausenden jungen Anhängern begegnen. Er wird aber auch Bischöfe und andere Kirchenvertreter treffen, die besonders konservative Positionen vertreten, zuletzt zum Beispiel auf der Bischofssynode in Rom zum Thema Ehe und Familie.

Homosexuelle hoffen auf Zuspruch

In Uganda, der zweiten Station seiner Reise, hoffen viele Menschen darauf, dass Franziskus für einen menschlicheren Umgang mit Homosexuellen wirbt. Hat er nicht 2013 den schönen Satz gesagt: "Wenn jemand schwul ist, den Herrn sucht und guten Willen hat, wer bin ich, über ihn zu urteilen?"

In Uganda jedoch drohen Homosexuellen hohe Strafen, egal welch guten Willens sie sind. Die Medien hetzen immer wieder unverhohlen gegen Schwule und Lesben. Und Präsident Yoweri Museveni kann sich, wenn er Homosexuelle als "widerlich" beschimpft, breiter Unterstützung sicher sein - durch radikale evangelikale Prediger, die in dem Land großen Einfluss auf Politik und öffentliche Meinung haben, aber auch durch hochrangige Vertreter der katholischen Kirche. Der Erzbischof von Gulu etwa, John Baptist Odama, sagte im Vorfeld der Reise, er wisse nicht, ob Papst Franziskus das Thema ansprechen werde. Er selbst jedenfalls halte es mit den "Lehren der Kirche", wonach "homosexuelle Praktiken" eindeutig "nicht korrekt" seien.

Am Mittwochnachmittag, im Flugzeug von Rom nach Nairobi, hat Franziskus den mitreisenden Journalisten gesagt, er hoffe, dass seine Reise "sowohl spirituell als auch materiell" reiche Früchte trage. "Ich gehe der Begegnung mit den Kenianern, Ugandern und den Brüdern in der Zentralafrikanischen Republik mit Freude entgegen."

Egal, wie korrupt die Potentaten sind, denen er die Hand schütteln wird, wie groß der Hass derer ist, die von seinen Versöhnungsgesten nichts halten. Und die Resignation derer, die Afrika für einen ohnehin verlorenen Kontinent halten.

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