Reinhard Schlagintweit:"Das ist schon heftig"

Krisenmanagement bei Unicef: Der pensionierte Diplomat Reinhard Schlagintweit soll die Hilfsorganisation aus der Krise führen.

Johannes Nitschmann

Er ist ein bodenständiger Bayer, der seinen Lebensabend im Rheinland verlebt. An diesem Rosenmontag kam Hektik in das Leben des rüstigen Rentners Reinhard Schlagintweit. Der 79-Jährige war plötzlich ein gefragter Mann. Kamerateams hatten sich in seinem Haus im ehemaligen Bonner Diplomatenstadtteil Bad Godesberg angesagt. Pausenlos bedrängten ihn Journalisten am Telefon mit kritischen Fragen.

Reinhard Schlagintweit; dpa

Reinhard Schlagintweit will Unicef aus seiner bislang schwersten Krise holen.

(Foto: Foto: dpa)

Seit vergangenen Samstag ist Schlagintweit Vorsitzender von Unicef Deutschland. Ein Amt, um das ihn angesichts der schweren Vertrauenskrise, in die das Kinderhilfswerk geraten ist, niemand beneidet. Schlagintweits Vorgängerin Heide Simonis hatte den Vorsitz der Kinderhilfsorganisation resigniert aufgegeben. Die SPD-Politikerin fühlte sich im von ihr für nötig gehaltenen Kampf um mehr Finanz-Transparenz bei Unicef im zehnköpfigem Vorstand allein gelassen.

"Die Schlammschlacht muss aufhören"

Schlagintweit weiß, was er sich trotz seines Alters mit dem Unicef-Vorsitz aufgebürdet hat. "Das ist schon heftig." In den letzten Wochen habe "ein Tsunami" das Ansehen des Kinderhilfswerks massiv beschädigt, beklagt der gelernte Jurist. Der Medien-Wirbel um angebliche Misswirtschaft und Verschwendung in der Kölner Unicef-Zentrale hat die mildtätige Organisation in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt.

"Die Hauptsache ist, dass die Schlammschlacht aufhört", sagt Schlagintweit. "Die Wunden müssen heilen. Wir müssen nach vorne." Der Ex-Diplomat spricht von "Verletzungen und Enttäuschungen" bei seiner Amtsvorgängerin Simonis, rügt zugleich aber deren "rücksichtsloses Vorgehen" gegen die eigene Zentrale und deren Management.

Der neue Unicef-Vorsitzende kennt die Organisation aus dem Effeff. Bereits von 1993 bis 2006 stand er an der Spitze der deutschen Sektion des Kinderhilfswerks. In seiner Amtszeit hatte sich das Spendenaufkommen verdreifacht - auf bundesweit annähernd 100 Millionen Euro pro Jahr. Schlagintweit verfügt über exzellente Auslandskontakte. Seine Berufskarriere begann an den deutschen Botschaften in der Türkei, in Afghanistan und Bangkok, ehe er unter Außenminister Hans-Dietrich Genscher die Abteilungen Asien, Afrika, Lateinamerika und Mittelost im Auswärtigen Amt leitete.

Seit seiner Pensionierung im Jahre 1993 engagiert sich der Vater von zwei Kindern weltweit als Anwalt der Kinderrechte - auch in der Bundesrepublik. "In Deutschland gehen viele Menschen davon aus, dass die Kinderrechte bei uns längst verwirklicht sind. Das trifft nicht zu", urteilt Schlagintweit. Als Beispiel nennt er die zunehmende Kinderarmut. Schlagintweit versteht Unicef nicht nur als Spendensammelstelle, sondern auch als politische Organisation. Für ein Verbot von Frauenbeschneidungen kämpft er ebenso wie für den Schulbesuch afghanischer Mädchen oder den Impfschutz.

Derzeit hat der neue Unicef-Chef im eigenen Land alle Hände voll zu tun. Er muss das beschädigte Vertrauen in seine Organisation rasch wieder herstellen. "Das ganze Klima hat gelitten", bedauert Schlagintweit. Bei dem Ruf der eigenen Unicef-Basis nach mehr Transparenz ist sein bayerischer Familienname Programm: "Eine Lichtung in den Wald schlagen."

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