Reiner Calmund:Das Deutschlandlied, so gut wie Karaoke

Reiner Calmund ist Opfer eines Lektoratsfehlers geworden. In seinem neuesten Buch heißt es, er schätze die erste Strophe des Deutschlandliedes. Dabei mag er nur die dritte Strophe - und würde an der Hymne auch nichts ändern wollen. Eigentlich könne man sich da auch nicht versingen.

Martin Zips

Im neuen Buch des Ex-Fußballmanagers Reiner Calmund, 62, tauchte zuletzt ein kleiner Fehler auf. In "Eine Kalorie kommt selten allein" heißt es, Calmund schätze die erste Strophe ("Deutschland, Deutschland über alles") des Deutschlandliedes. Das stimmt natürlich nicht. Calmund mag nur die dritte Strophe ("Einigkeit und Recht und Freiheit"). Mit der ersten Strophe haben die Nazis seinerzeit übelstes Schindluder getrieben.

Buch von Reiner Calmund muss eingestampft werden

Reiner Calmund auf der Buchmesse am 13. Oktober: Die Restauflage des ersten Drucks seines Buches wird eingestampft.

(Foto: dpa)

SZ: Na so etwas, Herr Calmund. Wie stehen Sie denn jetzt da?

Reiner Calmund: Der Fehler ist dem Lektorat passiert. Trotzdem halte ich dafür öffentlich auch meinen Kopf hin, es ist ja schließlich mein Buch.

SZ: Muss das Buch jetzt eingestampft werden?

Calmund: Nee, nee. In der zweiten Auflage wird das korrigiert. Nur der Rest der ersten Auflage, etwa 5000 Exemplare, die wurden eingestampft. 20.000 Bücher mit dem Lapsus, dass ich gerne die erste Strophe singe, die sind leider schon verkauft. Da kann man nix machen.

SZ: Aber es war schon Ihr Fehler?

Calmund: Der Verlag hat Kürzungen vorgenommen, dadurch wurde der Sinn in dem betreffenden Satz entstellt. Leider ist das zunächst nicht aufgefallen. Haben Sie das Buch gelesen?

SZ: Leider nicht.

Calmund: Dann erkläre ich Ihnen mal, um was es in dem Kapitel, in dem der Lapsus vorkommt, eigentlich geht: Nämlich über das, was ich nicht esse. Zum Beispiel Graupen, Herz, Lunge, Nierchen und Kaninchen. Und wissen Sie, warum ich nicht gerne Kaninchen esse?

SZ: Nein.

Calmund: In der Arbeitersiedlung, in der ich groß geworden bin, hatte fast jeder Kaninchen im Stall. Ich hätte es nie übers Herz gebracht meine Hasen Hansi und Fritz und Co. zu essen. In dem Kapital beschreibe ich die Filmszene aus dem "Wunder von Bern", wo der Vater nach dem Krieg 1954 aus der Gefangenschaft zurückkommt und das Stall-Kaninchen zum Entsetzen seines Sohnes als Festmenü aufgetischt wird. Ich schreibe, die Sache mit dem Kaninchen habe mich ebenso berührt wie das 3:2 durch Helmut Rahn und die emotionale Siegerehrung mit der Nationalhymne.

SZ: Ach so. Und die haben damals ja die erste Strophe gesungen. Also heißt es jetzt: Calmund findet diese Strophe gut.

Calmund: Genau. Aber beim Fußball geht es für mich immer um Integration. Aktuell organisiere und unterstütze ich eine Jugendreise, wo mindestens 60 Prozent der Teilnehmer Eltern aus dem Ausland haben.

SZ: Sagen Sie, Herr Calmund, bräuchten wir nicht langsam wirklich mal eine andere Hymne als Hoffmann von Fallerslebens Text und Haydns "Gott erhalte Franz, den Kaiser"? Sozusagen eine Hymne für das neue, bunte Deutschland?

Calmund: Nee, nee. Ich krieg beim Haydn noch immer Gänsehaut. Und wenn die Hymne öffentlich gesungen wird, dann kannste Dich gar nicht versingen. Das ist wie Karaoke. Wer sich da noch vertut, der ist bösartig. Oder blöd.

Interview: Martin Zips

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