Papst Franziskus Reformvorschläge:"Lieber eine 'verbeulte' Kirche"

Vatikan: Papst fordert Reformen

Vatikan: Papst Franziskus fordert grundlegende Reformen der katholischen Kirche.

(Foto: Stefano Rellandini/Reuters)

Weniger Pomp, mehr Bescheidenheit, mehr Laienbeteiligung und "Räume für eine wirksamere weibliche Gegenwart": Papst Franziskus hat in einem Grundsatzpapier vielfältige Reformen gefordert. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Lieber eine "'verbeulte' Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist" als eine, "die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist": Papst Franziskus hat in seinem 180 Seiten starken Grundsatzpapier "Evangelii Gaudium" nicht nur eine rein theologische Abhandlung veröffentlicht. In "Freude des Evangeliums" schildert der Pontifex zum Ausgang des von der katholischen Kirche weltweit begangenen Jahres des Glaubens, wie er sich Kirche im 21. Jahrhundert vorstellt.

Franziskus will darin "Wege für den Lauf der Kirche in den kommenden Jahren" aufzeigen. Zweierlei ist nach Überzeugung des Papstes nötig, um diese Wege zu ebnen: eine missionarische Neuausrichtung auf der einen und strukturelle Reformen auf der anderen Seite.

Die wichtigsten Punkte des Vorschlags im Überblick (Eine Zusammenfassung von "Evangelii Gaudium" findet sich auf den Seiten von Radio Vatikan):

  • Reform des Papstamts und Dezentralisierung: Es sei notwendig, historisch gewachsene Strukturen anzugehen. Es sei nicht angebracht, die Ortsbischöfe in der Bewertung aller Probleme zu vertreten, schreibt Franziskus. "In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen 'Dezentralisierung' voranzuschreiten." Die Reformen sollten auch vor seinem, dem höchsten Amt der Kirche, nicht Halt machen. Vom päpstlichen Lehramt dürfe man keine "endgültige oder vollständige Aussage zu allen Fragen" erwarten.
  • Sakramente: Im Zusammenhang mit der jüngst hitzig geführten Diskussion um den Zugang zu Sakramenten (Dürfen zum Beispiel geschiedene Wiederverheiratete die Kommunion empfangen?) fordert Franziskus eine offene Haltung seiner Kirche. "Die Türen der Sakramente dürften nicht aus irgendeinem beliebigen Grund geschlossen werden", heißt es in "Evangelii Gaudium", was besonders für die Taufe gelte. Die Eucharistie sei "nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen." Die folglich notwendigen Reformen müsse man "mit Besonnenheit und Wagemut" angehen.
  • Laienbeteiligung und Rolle der Frau: Franziskus fordert in seiner Schrift ein Ende des "ausufernden Klerikalismus", das Machtstreben der Geistlichen innerhalb der Kirche und stattdessen eine stärkere Beteiligung von Laien. Zwar geht er auch gesondert auf die Rolle der Frau ein - macht aber in diesem Punkt zugleich die Grenzen seines Reformwillens deutlich: Die "Räume für eine wirksamere weibliche Gegenwart in der Kirche", schreibt er, müssten erweitert werden, vor allem dort, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen würden "Die Beanspruchung der legitimen Rechte der Frauen (...) stellt die Kirche vor tiefe Fragen, die sie herausfordern und die nicht oberflächlich umgangen werden können", heißt es. Zugleich stellt das Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken klar, dass das Männern vorbehaltene Priesteramt nicht zur Diskussion stehe, allerdings "Anlass zu besonderen Konflikten geben (kann), wenn die sakramentale Vollmacht zu sehr mit der Macht verwechselt wird". An anderer Stelle unterstreicht Franziskus noch einmal, dass die Abtreibungsdebatte für den Vatikan keine Frage von Modernität ist. Es sei Aufgabe der Kirche, ungeborenes Leben zu schützen, betont Franziskus, gesteht aber zugleich ein, "dass wir wenig getan haben, um die Frauen angemessen zu begleiten, die sich in sehr schweren Situationen befinden", etwa nach Vergewaltigungen.
  • Kapitalismus: "In der Wurzel ungerecht" nennt Papst Franziskus das aktuell dominierende ökonomische System. Diese Wirtschaftsform töte, denn in ihr herrsche das Gesetz des Stärkeren. Der Mensch sei nur noch als Konsument gefragt, und wer das nicht leisten könne, der werde nicht mehr bloß ausgebeutet, sondern ausgeschlossen. Diese Kultur des Wegwerfens habe etwas Neues geschaffen. Die Ausgeschlossenen seien nicht mehr nur Ausgebeutete, sondern "Müll, Abfall".
  • Armut und Barmherzigkeit: Zur Kritik am Kapitalismus des 21. Jahrhundert, am ausufernden Klerikalismus, am Protz mancher Amtsführung passt, dass Armut, eines der zentralen Themen in den ersten acht Monaten von Franziskus' Pontifikat, in der Schrift ebenfalls einen zentralen Platz einnimmt. Die Armen seien für die Kirche zuerst eine theologische Kategorie, dann erst eine soziologische oder politische, schreibt Franziskus. Die Kirche müsse den "neuen Formen von Armut und Hinfälligkeit - den Obdachlosen, den Drogenabhängigen, den Flüchtlingen, den eingeborenen Bevölkerungen, den immer mehr vereinsamten und verlassenen alten Menschen" mehr Beachtung schenken.
  • Selbstverständnis: Zwei zentrale Worte fassen die Grundhaltung, die sich Franziskus von seiner Kirche wünscht: Armut und Dialog. Wie er in der Vergangenheit immer wieder betont hat, schreibt der Papst auch in dieser Veröffentlichung, er wünsche sich "eine arme Kirche für die Armen." Eine Kirche, die nicht in "spiritueller Weltlichkeit" aufgeht, sondern eine Kirche, die sich in "Bewegung setzt", die "aus sich herausgeht, in eine auf Jesus Christus ausgerichtete Mission, in den Einsatz für die Armen." Dialog fordert Franziskus mit Blick auf andere Konfessionen und Religionen ebenso wie in Bezug auf Politik, Wirtschaft und soziale Gruppen. Im Zusammenhang mit seiner Ökonomiekritik zitiert er seinen Vor-Vorgänger Papst Johannes Paul II. Die Kirche könne nicht abseits stehen, wenn es um das "Ringen um Gerechtigkeit" geht.
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