Süddeutsche Zeitung

Reform des Sexualstrafrechts:Vergewaltigungen sollen leichter geahndet werden können

Lesezeit: 3 min

Maas fordert eine Überprüfung des Vergewaltigungsparagrafen

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will die gesetzlichen Bestimmungen gegen Vergewaltigung verschärfen: Der bisherige Strafrechtsparagraf 177 offenbare Schutzlücken, sagte Maas am Donnerstag nach der Konferenz der Justizminister von Bund und Ländern in Berlin. Deshalb müsse es hier Veränderungen geben, "um Frauen besser vor sexueller Gewalt zu schützen". Maas nannte verschiedene Fallkonstellationen, die vom Paragrafen 177 bislang nicht erfasst würden.

Dies seien etwa Fälle, wo der Täter dem Opfer zwar nicht mit Gefahr für Leib und Leben drohe, dafür aber mit beruflichen Nachteilen. Zudem komme es vor, dass sich Frauen nicht wehren, weil sie für den Fall, das sie es doch tun, Gewalt befürchten. In anderen Fällen nutzten die Täter Überraschungsmomente aus. Nach den Worten von Maas gibt es noch keine Klarheit über die konkrete Ausgestaltung der künftigen Strafrechtsbestimmung. Die Reform solle aber auf jeden Fall kommen. Doch so einfach wird sich das wohl nicht in ein Gesetz fassen lassen.

Was im Strafgesetzbuch steht

Damit in Deutschland nicht-einvernehmliche sexuelle Handlungen auch strafbar sind, muss mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt sein: Der Täter muss entweder Gewalt angewendet, oder damit gedroht haben, eine schutzlose Lage des Opfers auszunutzen. Es reicht also nicht, wenn das Opfer klar und deutlich "Nein" sagt. So steht es im §177 des Strafgesetzbuches.

Die sich hieraus ergebenden Folgen in Gerichtsprozessen seien nicht nur schwer zu vermitteln, sie führen bei den Opfern zu dem Eindruck, nicht geschützt und alleine gelassen zu werden, sagt Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des Weissen Rings, Deutschlands größte Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer. Sie begrüßte deshalb Maas' Vorstoß.

Mehrere Landesjustizminister wollen auf ihrer heutigen Herbsttagung in Berlin über die Reform des Vergewaltigungsparagraphen beraten. Auch die derzeitige Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchefin Uta-Maria Kuder (CDU), forderte, jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe zu stellen. "Wir müssen ein Signal senden, dass die sexuelle Selbstbestimmung ein hohes Gut ist."

Kritiker warnen vor voreiliger Kriminalisierung

Kritiker der Reform warnen dagegen vor einer voreiligen Kriminalisierung in einem emotional aufgeladenen Rechtsfeld. Hohe Hürden für den Tatbestand der Vergewaltigung würden sich aus entsprechend hohen Strafen ergeben - bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung wird der Täter in der Regel mit einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb bis acht Jahren bestraft.

Bedenken gegen eine Gesetzesverschärfung kommen vor allem von Richtern und Staatsanwälten. Sie fürchten, dass eine solche Verschärfung des Sexualstrafrechts zu mehr falschen Verurteilungen führen könnte.

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) hatte die Bundesregierung dagegen bereits im vergangenen Mai aufgefordert, das Sexualstrafrecht zu modernisieren. Der Strafrechtsparagraph, der sexuelle Nötigung und Vergewaltigung unter Strafe stellt, erfülle die internationale Vorgabe der Kriminalisierung nicht.

Was Frauenberatungsstellen sagen

Vor einigen Monaten war eine Studie veröffentlich worden, nach der es in Deutschland in Vergewaltigungsprozessen immer seltener zu einer Verurteilung kommt. Die Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ergab, dass im Jahr 2012 nur etwas mehr als acht Prozent der Angeklagten verurteilt wurden. Inwieweit die "Schutzlücke" für die geringe Zahl an Verurteilungen verantwortlich gemacht werden kann, lässt sich statistisch aber nicht belegen.

Im vergangenen August veröffentlichte der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (BFF) außerdem eine Fallanalyse. In dieser wurden 107 Fälle aus den vergangenen zehn Jahren beschrieben, in denen sich vergewaltigte Frauen dazu entschieden hatten, eine Anzeige zu erstatten - und vor Gericht scheiterten. Der Grund in allen Fällen: Die mutmaßlichen Opfer hatten sich nach Meinung des Gerichts nicht in einer "schutzlosen Lage" befunden.

Das Ergebnis bestätige, was ihnen in der alltäglichen Arbeit immer wieder begegne, sagte BFF-Geschäftsführerin Katja Grieger Süddeutsche.de: "Das Sexualstrafrecht basiert auf Mythen", etwa dem vom Überfall nachts in einem dunklen Park, "wo der Mann der Frau das Messer an den Hals setzt", so Grieger. Tatsächlich finden die meisten sexuellen Übergriffe aber im familiären oder freundschaftlichen Umfeld statt. "In diesen Situationen muss meistens überhaupt keine Gewalt angewendet werden, weil die Frauen den Täter sehr gut kennen und so geschockt sind, dass er so etwas macht."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2207808
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/AFP/jana
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.