Reemtsma-Entführer:Frei, aber verdächtig

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Thomas Drach ist frei. Doch die Entlassung des Reemtsma-Entführers aus der Haft wirft viele Fragen auf: Wo will der Mann hin? Kommt er nun ungehindert an seine Beute? Und wer ist ihm auf den Fersen? Die wichtigsten Antworten.

Von Wolfgang Janisch

Die Entlassung des Reemtsma-Entführers Thomas Drach aus der Haft beschäftigt die Phantasie des Publikums: Wo will der Mann hin, wer ist ihm auf den Fersen, warum darf der überhaupt weg? Denn einerseits hat er gebüßt für sein Verbrechen: mehr als einen Monat hatte er 1996 Jan Philipp Reemtsma gefangen gehalten und ein Rekordlösegeld von 12,5 Millionen Schweizer Franken sowie 15 Millionen D-Mark erpresst. Andererseits bleibt ein Großteil des Lösegeldes verschwunden. Die juristischen Fragen rund um den Fall Drach sind kompliziert.

Angeblich hat sich Drach in die Niederlande abgesetzt. Warum darf er überhaupt ins Ausland reisen?

Er hat seine 15-jährige Haftstrafe vollständig abgesessen. Es ist also kein Strafrest mehr offen, mit dem man ihn am kurzen Zügel einer Bewährungsauflage halten könnte. Er hat das Gefängnis verlassen und ist damit ein freier Mann.

Warum kann ihm die Justiz gleichwohl Auflagen machen?

Bei gravierenderen Straftaten gibt es einen Automatismus: Wenn der Häftling die Strafe vollständig verbüßt hat, gilt die sogenannte Führungsaufsicht. Damit haben die Behörden auch in solchen Fällen die Möglichkeit, bestimmte Vorkehrungen gegen drohende Rückfälle zu treffen - was beispielsweise bei Sexual- und Gewaltverbrechern eine wichtige Rolle spielt. Bei Drach hat die Justiz im Zuge dieser Führungsaufsicht unter anderem ein Kontaktverbot mit Reemtsma, ein Verbot des Waffenbesitzes sowie das Tragen einer "elektronischen Fußfessel" in Deutschland verfügt - was eine auf "konkrete Tatsachen" gestützte Gefahr voraussetzt, dass er wieder straffällig werden wird.

Warum kann er die Fußfessel abstreifen, wenn er das Land verlässt?

Weil er damit das deutsche Hoheitsgebiet verlässt. Der Arm der deutschen Justiz endet in diesem Fall an der Staatsgrenze.

Das ist die komplizierteste aller Fragen. Für strafrechtliche Ermittlungen benötigt man den Anfangsverdacht auf eine Straftat. Die Entführung gibt dafür nichts mehr her. Selbst wenn man Anhaltspunkte hätte, dass er das Geld aus der Beute "waschen" will, würde das nicht reichen: Wer das Geld selbst gestohlen oder durch Erpressung beschafft hat, kann nicht ein zweites Mal wegen Geldwäsche verfolgt werden. Möglich ist höchstens, dass man im Zuge von Geldwäsche-Ermittlungen gegen Personen aus seinem Umfeld auf Drach stößt; die Staatsanwaltschaft Aachen führt hier Ermittlungen. Oder die Polizei wird im Zuge der Gefahrenabwehr tätig: Die Sicherung des Eigentums - die Beute gehört juristisch Reemtsma - zählt zu ihren zentralen Aufgaben. Nach Auskunft der Hamburger Polizei gibt es dort aber keine Aktivitäten gegen Drach.

Ist es möglich, Drach einen Reisepass zu verweigern, so dass er nicht ins außereuropäische Ausland kann?

Das Passgesetz enthält eine Liste von Gründen, aus denen die Behörden den Pass verweigern können - darunter die Sorge, jemand könnte sich Strafverfolgung oder Strafvollstreckung entziehen. Das passt aber nicht auf Drach. Damit werden ihm die Behörden wohl einen Pass ausstellen müssen. Er könnte aber in vielen Ländern Probleme haben, ein Visum zu bekommen.

Und wenn er das Geld in die Hände bekommt: Kann er den in D-Mark erbeuteten Teil - 15 Millionen - von Helfern heute noch eintauschen lassen?

D-Mark-Banknoten können bei allen Filialen der Bundesbank umgetauscht werden - zeitlich und in der Höhe unbegrenzt. Das kostet nicht einmal Gebühren, der Kurs beträgt 1 Euro für 1,95583 D-Mark. Allerdings haben die Banken Vorkehrungen gegen Geldwäsche getroffen: Bei fünfstelligen Beträgen wird die Bundesbank genauer hinschauen.

© SZ vom 23.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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