Süddeutsche Zeitung

Rechtsstreit:Sand im Getriebe

Die Idee klingt gut. Einfach eine Sanduhr umdrehen, wenn man kurz parken will, etwa vor dem Bäckerladen. In Datteln sollte die Idee Wirklichkeit werden. Aber der Sand könnte gegen das Grundgesetz verstoßen: ein bizarrer Streit.

Von Christina Berndt

Die Idee klingt ebenso praktisch wie rieselfähig: Statt sich für die paar Minuten, die man beim Bäcker Brötchen holen will, drei Minuten lang mit dem diensthabenden Parkscheinautomaten herumzuquälen, könnten Autofahrer einfach eine unbestechliche Sanduhr hinter der Windschutzscheibe platzieren. Für zehn Minuten würde sie das Rieseln vor einem Strafzettel bewahren; sobald aber aller Sand am Boden liegt, ist die geschenkte Zeit abgelaufen, man muss zahlen. Entweder am Automaten oder, wenn's beim Bäcker zu lange gedauert hat, den Strafzettel.

Doch praktische Ideen stoßen nicht immer auf die Zuneigung des Gesetzgebers. Ob so eine Sanduhr mit dem Straßenverkehrsrecht vereinbar ist, will die Stadt Datteln deshalb vor Gericht klären. Der Stadtrat wünscht sich nämlich eine Sanduhr fürs Armaturenbrett. Aber Gegner sind skeptisch: An Parkscheinautomaten verlangt die Straßenverkehrsordnung nun mal einen Parkschein, keinen Sand. Und ungerecht allen Nicht-Dattelnern gegenüber wäre die Sache auch noch, da diese ja nicht auf die sandbetriebene Zeitmessung vorbereitet sind und sich ihren Bäckerbesuch teuer erkaufen müssten. Ein klarer Verstoß gegen die Abgabengerechtigkeit nach dem Grundgesetz - und damit Sand in den Augen jedes Hüters der Weltordnung.

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Quelle:
SZ vom 30.07.2016
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