Süddeutsche Zeitung

Trickbetrüger:Falsche Polizisten

Bei Razzien in Nordrhein-Westfalen und der Türkei haben Ermittler 28 Personen festgenommen. Sie sollen Teil einer Bande sein, die als Polizisten verkleidet Senioren um mehr als drei Millionen Euro betrogen haben.

Von Alexander Menden, Osnabrück

Als im vergangenen August zwei Uniformierte an einer Haustür im nordrhein-westfälischen Datteln klingelten, wurde der Bewohner rasch misstrauisch: Die Herren trugen die alten, schon seit fast einem Jahrzehnt ausrangierten grünen Uniformen und hatten auch keine Schusswaffen dabei. Stattdessen waren sie mit einem Bußgeldbescheid bewehrt und forderten 186 Euro. Der Mann zahlte aber nicht, sondern rief bei der Polizei an, woraufhin die beiden vermeintlichen Polizisten sich aus dem Staub machten.

Der Versuch, gutgläubige Bürger mit falschen Bußgeldbescheiden (für deren Vollstreckung das Ordnungsamt zuständig ist) oder Durchsuchungsbefehlen um ihr Geld zu erleichtern, war nur eine von mehreren Maschen, derer sich falsche Polizisten seit Längerem erfolgreich bedienten. Eine Bande war deutschlandweit aktiv, vor allem aber in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, und soll ihre meist älteren Opfer um mehr als drei Millionen Euro betrogen haben.

Am Mittwochmorgen startete die echte Polizei in NRW und der Türkei Razzien gegen ein international agierendes kriminelles Netzwerk, das solche Trickbetrügereien organisiert hatte. Unter Federführung der Staatsanwaltschaften Osnabrück und Koblenz gab es in Deutschland 19 Durchsuchungen von Wohnungen, Geschäftsräumen und Fahrzeugen, darunter in Köln, Bochum, Münster, Datteln, Rheine und Dortmund. In der Türkei fanden Razzien in Antalya und Istanbul statt. Einem Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück zufolge gab es in Deutschland vier und in der Türkei 24 Festnahmen, darunter auch die mutmaßlichen Drahtzieher.

In NRW wurden unter anderem vier Autos im Gesamtwert von rund 185 000 Euro, Bargeld, Schmuck und teure Uhren sowie Munition und ein ausziehbarer Schlagstock sichergestellt. Die Polizei geht davon aus, dass das Geld aus den Betrügereien aus Deutschland in die Türkei floss. Die Rekonstruktion der Geld- und Warenströme sowie die Auswertung der Beweismittel wird allerdings wohl noch Wochen in Anspruch nehmen.

Michael Maßmann, Präsident der Polizeidirektion Osnabrück, wies auf die besonders gute Zusammenarbeit zwischen deutschen und türkischen Sicherheitsbehörden hin, der es zu verdanken sei, dass man "die kriminellen Strukturen und Netzwerke zerschlagen" und auch die Hintermänner habe festnehmen können. Die Aktion sei "ein klares Signal an alle, die auf perfide Art und Weise versuchen, ältere Menschen um ihr Erspartes zu bringen".

Allein in Niedersachsen haben die Betrugsfälle mit falschem Polizeibeamten in jüngster Vergangenheit stark zugenommen: Noch im Jahr 2013 gab es landesweit nur 49 Fälle mit einem Schaden von 35.000 Euro. 2018 waren es mehr als 4000 Fälle mit einem Schaden von 4,7 Millionen Euro.

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