Raumfahrt:Wenn von der ISS auf Arabisch gefunkt wird

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Hassa al-Mansuri, Raumfahrer aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, kurz vor der Besteigung der Sojus-Rakete. (Foto: dpa)

Früher arbeitete er für eine Kunstfliegertruppe mit Hang zu spektakulären Tricks. Jetzt ist Hassa al-Mansuri der erste Mensch aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der ins All fliegt.

Von Moritz Baumstieger

Bevor es für ihn in die unendlichen Weiten des Himmels ging, grub Hassa al-Mansuri in der Erde Kasachstans. Im Städtchen Baikonur, das die Sowjets einst als ihre Pforte zum All bestimmt hatten und in dem bis heute die Raketen der russischen Raumfahrt starten, hob al-Mansuri ein Loch aus und pflanzte einen Baum. So will es die Tradition, schon Juri Gagarin tat 1961 dasselbe. Der Eintrag in die Geschichtsbücher als erster Mensch im All war dem Russen da bereits sicher, vielleicht wollte er noch etwas Bleibendes auf Erden hinterlassen. Zu ungewiss war der Ausgang seiner Reise.

Auch Hassa al-Mansuri kann sich sicher sein, dass ihn die Menschen nicht vergessen werden - jedenfalls nicht in seiner Heimat, den Vereinigten Arabischen Emiraten. Als Gagarin zu seinem historischen Flug aufbrach, existierte das Land noch gar nicht als eigenständiger Staat, erst 1971 erlangten die sieben Emirate am Persischen Golf die Unabhängigkeit. Dort, wo heute Wolkenkratzer glitzern, wo sich die Emire von Dubai, Abu Dhabi und Schardscha mit Rekordbauten zu übertrumpfen versuchen, fanden sich damals nicht mehr als verschlafene Fischerdörfer und beschauliche Handelshäfen.

Doch seit die durch ihren Ölbesitz reich gewordenen Emirate 2017 ein Raumfahrtprogramm auflegten, zielt ihr "höher, schneller, weiter" auch im Wortsinne auf die Sterne - und al-Mansuri ist nun der erste Emirater, der nach ihnen greifen soll. An diesem Mittwoch trat er mit einer amerikanischen Astronautin und einem russischen Kosmonauten den sechsstündigen Flug in einer Sojus-Rakete zur internationalen Raumstation ISS an, wo er die kommenden drei Wochen verbringen wird. Wenn al-Mansuri dort die 16 Experimente durchführt, die von der Raumfahrtagentur seines Heimatlandes geplant wurden, und sie per Videostream den Zuschauern auf Erden erklärt, wird von der ISS zum ersten Mal Arabisch gefunkt werden.

In die Luft geht der 1987 in einem Vorort von Abu Dhabi geborene al-Mansuri schon seit seiner Jugend: Am Khalifa bin Zayed Air College in Abu Dhabi wurde er zum jüngsten Piloten der emiratischen Streitkräfte ausgebildet. Seit nunmehr 14 Jahren fliegt er den Kampfjet F-16, und das so gut, dass er zudem einige Zeit auch für das "Solo Display Team" abhob, eine Kunstfliegertruppe mit Hang zu spektakulären Tricks, die schon den Zuschauern den Magen umdrehen.

Die Führung seines Heimatlandes denkt schon weiter: an die Marsbesiedelung

Al-Mansuri aber scheint von außergewöhnlicher körperlicher und mentaler Robustheit zu sein: Er und ein weiterer als Reserveastronaut vorgesehener Kollege setzten sich 2018 in einem Auswahlprozess gegen 4020 andere emiratische Bewerber durch, seither trainierten die beiden im russischen Kosmonautentrainingszentrum für ihren Einsatz. Falls sich al-Mansuris Ehefrau und seine vier Kinder wegen der Risiken einer Raummission Sorgen machen sollten: Zumindest ihr Ehemann und Vater ist bestmöglich vorbereitet, er schloss die Schulung in Moskau mit der Beurteilung "exzellent" ab.

Während der Ausbildung habe er vor allem auch gelernt, Geduld zu haben, sagt al-Mansuri. Angesichts der Tatsache, dass er vom Einsteigevorgang auf Erden bis zum Ende des Andockungsprozesses im All acht Stunden nahezu bewegungsunfähig in der Sojus-Rakete sitzen muss, eine nicht unwichtige Lektion. Angekommen im All will er - natürlich - erst einmal fliegen. Durch die Station, schwerelos, von einem Ende der ISS zum anderen.

Die Führung seines Heimatlandes denkt schon viel weiter: 2021, zum 50. Gründungsjubiläum des Staates, wollen die Vereinigten Arabischen Emirate bei ihrer ersten unbemannten Mission auf dem Mars landen - und ihn bis zum Jahr 2117 auch besiedeln. Wenn dann die ersten Bewohner vom Wüstenstaat auf den Wüstenplanet übersiedeln, werden die Geschichtsbücher des Landes an Hassa al-Mansuri erinnern. Und, falls er dann noch steht, auch ein alter Baum in Kasachstan.

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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