FrankreichOhne Kippen an den Strand

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Noch einen Monat dürfen Raucher an Frankreichs Stränden wie hier in Arcachon paffen, dann ist Schluss damit.
Noch einen Monat dürfen Raucher an Frankreichs Stränden wie hier in Arcachon paffen, dann ist Schluss damit. (Foto: Andia/imago)

Frankreich verhängt ein Rauchverbot beim Baden am Meer und an anderen öffentlichen Orten. Ein Refugium lässt man den Rauchern jedoch – dort fühlen sie sich besonders wohl.

Von Oliver Meiler, Paris

Ein Stück Frankreich stirbt, damit es besser lebe, so viel Philosophie muss schon sein. Es gab Zeiten, da gehörte das Rauchen zum Gestus vieler Franzosen aller Klassen, und im französischen Rauchen steckte eine fast kulturpolitische Note, sicher aber ein eigener Stil: die Gitanes im Maispapier im Mundwinkel, die Pfeife als intellektuelles Statusaccessoire in den Cafés des Pariser Quartier Latin. Ungesund war es natürlich schon damals. Als 2007 das Rauchen in geschlossenen Räumen auch in Frankreich verboten wurde, in Fernsehstudios, Zügen, Bistros und Brasserien, ging das nicht so leicht vonstatten wie in anderen Ländern. Es schwang da so viel mehr mit, eine Zeitenwende.

Nun schickt sich das Land an, noch etwas weiterzugehen, ja, viel weiter: Vom 1. Juli an, rechtzeitig zur Eröffnung der Sommersaison, soll das Rauchen auch an den Stränden Frankreichs verboten sein, unter freiem Himmel, den weiten Horizont in der Seele. Dazu rund um die Schulen und Kindergärten, an den Bushaltestellen, in den öffentlichen Parks und Gärten, überall da, wo sich auch Kinder aufhalten. Das kündigte Catherine Vautrin an, die französische Gesundheitsministerin. Wer dagegen verstößt, soll mit einer Geldstrafe der sogenannten „4. Kategorie“ sanktioniert werden: 135 Euro. Die „Vapotage“, das elektronische Gepaffe, ist vom Verbot ausgenommen. Vorerst jedenfalls.

Ziel ist es, dass große Teile des öffentlichen Raums bis ins Jahr 2032  rauchfrei werden und dass nun idealerweise eine Generation heranwächst, die gar nicht erst mit dem Rauchen anfängt. Einige Gemeindeverwaltungen hatten schon fakultativ damit angefangen, überall im Land gab es da und dort rauchfreie Zone, etwa auch in einigen Skistationen in den Alpen. Nun also kommt die Verordnung von oben. Der staatliche Fernsehsender France 5 hat ein bisschen herumgefragt, und siehe da: Fast alle begrüßten das Verbot. Einer der Befragten, ein Pariser mittleren Alters, fiel aus der Reihe und sagte den programmatischen und auch etwas resignierten Satz: „Aber das Rauchen gehört doch zu Frankreich.“

Tatsächlich? Die neuesten Statistiken zeigen, dass der Anteil der Raucher an der französischen Bevölkerung so gering ist wie seit Jahrzehnten nicht. 23,1 Prozent der Erwachsenen sagten in einer kürzlich veröffentlichten Umfrage, dass sie täglich rauchten – eine „historisch tiefe“ Quote, wie es Santé publique France nennt, eine Regierungsbehörde für die Pflege der Gesundheit. Aber die Raucher lasten schwer auf dem Land.

In Frankreich werden 75 000 Todesfälle im Jahr den Folgen des Rauchens zugerechnet: Lungenkrebs und Herzkreislaufprobleme vor allem. 200 pro Tag also. Von den vermeidbaren Todesursachen ist Rauchen offenbar die häufigste überhaupt. Die Zeitung Le Monde rechnet vor, dass das Rauchen und dessen Folgen die französische Gesellschaft 156 Milliarden Euro pro Jahr kosteten – an zusätzlichen Gesundheitsausgaben und eingebüßter Produktivität in der Wirtschaft. Wenn dieser Betrag stimmt, ist das eine ganze Menge, ein weiterer guter Grund für mehr Prävention.

Allerdings trifft das neue Verbot ausgerechnet die Terrassen der Cafés und Restaurants nicht. An keinem anderen Ort kommen sich Raucher und Nichtraucher so nahe wie während der Happy Hour vor den Bars, alle vereint in einer großen Rauchwolke. Die Lobby der Wirte war wohl stärker, diesmal noch.

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