Rassismusdebatte in den USA:Der rätselhafte Tod des Chavis Carter

Die Polizei im US-Bundesstaat Arkansas nimmt einen 21-jährigen Afroamerikaner nach einer Polizeikontrolle fest. Wenig später ist er tot. Er soll sich auf dem Rücksitz eines Streifenwagens selbst erschossen haben - obwohl seine Hände auf den Rücken gefesselt waren. Der Fall löst eine neue Debatte über Rassendiskriminierung in den USA aus.

Der 28. Juli ist ein sonniger Tag. Chavis Carter aus Mississippi fährt mit zwei Freunden in einem Auto durch Jonesboro im US-Bundesstaat Arkansas. Wenig später ist Carter tot. Der 21-jährige Afroamerikaner stirbt in der Nacht in einem Krankenhaus an den Folgen eines Kopfschusses. Nun rätselt Amerika, wie Carter gestorben ist.

Jonesboro Police Department photo taken from video shows police officers questioning and searching occupants of a truck

Die Polizei von Jonesboro hat eine Video veröffentlicht, dass die Festnahme von Chavis Carter zeigen soll. 

(Foto: Reuters)

Bekannt ist die offizielle Version der Polizei: Der junge Mann soll sich selbst erschossen haben. Obwohl er auf dem Rücksitz eines Polizeiwagens saß. Obwohl seine Hände mit Handschellen auf den Rücken gefesselt waren. Obwohl ihn Polizisten zuvor zweimal durchsucht hatten.

"Suizid? Das glaube ich keine Sekunde", zitiert die Huffington Post Charles Douglas, den Vater des Verstorbenen. "Er war gerade erst 21 geworden. Er war hoffnungsvoll. Er war nicht suizidgefährdet."

Auch viele Amerikaner zweifeln an der Darstellung der Polizei. Der Fall bewegt das Land, die Emotionen kochen hoch. Menschenrechtsorganisationen, Bürgerrechtler und Aktivisten fordern den Rücktritt des Polizeichefs von Jonesboro. Mittlerweile hat das FBI die Ermittlungen zum Tod von Chavis Carter aufgenommen.

Erinnerungen an Trayvon Martin

Zu dem tödlichen Zwischenfall kam es offiziellen Erkenntnissen zufolge nach einer Straßenkontrolle. Der Polizei war ein "verdächtiges Fahrzeug" gemeldet worden, das ohne Licht fuhr. In dem Wagen, den eine Streife anhielt, saßen drei Menschen: Chavis Carter und zwei weiße Amerikaner. Während die beiden anderen Insassen unbehelligt blieben, wurde der Afroamerikaner von den Beamten durchsucht - zweimal.

Die kleine halbautomatische Pistole vom Typ Cobra, mit der sich Carter später angeblich erschoss, fanden die Beamten nicht. Dafür jedoch ein Tütchen Marihuana im Wert von etwa zehn Dollar. Die Drogen waren allerdings nicht der Grund für die Festnahme des 21-Jährigen. Gegen ihn lag ein Haftbefehl aus seiner Heimat Mississippi vor. Dort hatte er seine Auflagen verletzt, zu denen er 2011 wegen des Verkaufs von Marihuana verurteilt worden war.

Die Waffe blieb unentdeckt

Die Polizisten nahmen den Gesuchten in ihrem Fahrzeug mit, zunächst offenbar ohne Fesseln. Kurz nach Fahrtbeginn stoppten sie jedoch, wiesen Carter an, auszusteigen, und legten ihm Handschellen an. Dann musste der junge Mann wieder einsteigen, die Beamten blieben zunächst vor dem Auto stehen.

Als einer der Polizisten wenig später zurück in den Wagen stieg, bemerkte er einen brennenden Geruch und einen zusammengesackten Mann auf dem Rücksitz, der stark blutete. Neben dem Schwerverletzten lag eine Pistole, die - wie sich später herausstellen sollte - einem Einwohner von Jonesboro gestohlen worden war. Der Beamte rief seinen Kollegen um Hilfe, gemeinsam versuchten sie Carter wiederzubeleben. Per Notarzt wurde der 21-Jährige noch in ein Krankenhaus gefahren, wo er wenig später verstarb.

Timothy Andrew Teal war einer der beiden Mitfahrer von Chavis Carter. Er postete am 8. August auf seinem Facebook-Account, den die Huffington Post zitierte, folgenden Satz: "Ich wünsche mir Gerechtigkeit für Chavis Carter. Er war ein guter Freund, aber das Justizsystem ist so korrupt, dass Gerechtigkeit nicht passieren wird. Ich frage mich, was sie erst mit einem echten Kriminellen machen."

Besonders vor dem Hintergrund des gewaltsamen Todes des schwarzen Teenagers Trayvon Martin schwelt in Amerika eine landesweite Debatte über Rassendiskrimierung. Der 17-Jährige Martin war im Februar von einem weißen Wachmann einer privaten Bürgerwehr erschossen worden, weil diesem der Jugendliche in Kapuzenjacke verdächtig erschien.

Mittlerweile liegt der Autopsiebericht von Chavis Carter vor. Demnach wurden im Körper des toten Afroamerikaners Spuren der Designerdroge Meth sowie von Beruhigungs- und Schmerzmitteln gefunden. Der Gerichtsmediziner kommt zu dem Schluss, dass sich Carter selbst getötet haben muss. Wie er das mit auf den Rücken gefesselten Händen getan haben soll, versucht die Polizei von Jonesboro mit Hilfe eines Videos zu erklären, in dem Beamte die vermeintliche Szene in dem Polizeiauto nachstellen.

Doch in US-Medien werden auch nach dem offiziellen Autopsiebericht immer wieder Menschen wie Bianca Tipton zitiert, die die Frage stellen: Wie schießt sich ein Linkshänder, dessen Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt sind, in die rechte Schläfe?

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