Sie verdient etwa 300 Millionen Dollar im Jahr, als Moderatorin der erfolgreichen Oprah Winfrey Show erlangte sie Weltruhm. Erst dieses Jahr wählte sie das Forbes Magazine zur einflussreichsten Prominenten der Welt. Oprah Winfrey ist Moderatorin, Unternehmerin, Philanthropin, Seelentrösterin, Powerfrau. Doch als sie in der vergangenen Woche eine Boutique in Zürich betrat, sah die Verkäuferin möglicherweise trotzdem nur eines: eine Schwarze.
Winfrey ist zu Gast bei Entertainment Tonight, einer Unterhaltungssendung des US-Medienunternehmens CBS, als die Moderatorin sie fragt, ob sie jemals mit "dem N-Wort" beschimpft worden sei. "Niemand, der bei Sinnen ist, würde mir das ins Gesicht sagen", antwortet Winfrey prompt. Rassismus erlebe sie dennoch, aber einen, der viel subtiler ist und hässlich auf seine Weise. Wie in der vergangenen Woche in der Schweiz, als die Amerikanerin sich eigentlich nur eine Handtasche ansehen wollte.
"Ich will Ihre Gefühle nicht verletzen"
"Nein", soll die Verkäuferin auf die Bitte Winfreys, ihr die Tasche zu zeigen, gesagt haben. "Sie ist zu teuer." Zwar versuchte sie, der Talkmasterin verschiedene andere, günstigere Taschen zu verkaufen. Doch die eine nicht, obgleich Winfrey mehrmals darauf beharrte. Die könne sie sich nicht leisten. "Ich will Ihre Gefühle nicht verletzen", soll die Verkäuferin noch gesagt haben, bevor Winfrey den Laden verließ. Ohne Widerworte.
"Ich hatte zwar meine Wimpern nicht an", erinnert sich die Moderatorin, "aber ich war in voller Oprah-Winfrey-Aufmachung. Ich trug mein Donna-Karan-Röckchen, meine Sandaletten und so weiter." Dennoch wird die Ladenmitarbeiterin die Talkmasterin nicht erkannt haben. In der Schweiz wird die Oprah Winfrey Show nicht ausgestrahlt. Und so wird sie auch nicht gewusst haben, dass Winfrey, deren Vermögen umgerechnet auf mehr als zwei Milliarden Euro geschätzt wird, nicht nur die eine, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit alle Handtaschen des Geschäfts hätte bezahlen können. In die Schweiz war sie gereist, weil Tina Turner am Zürichsee ihre Hochzeit feierte.
Winfrey zeigt sich gelassen
"Ich hätte eine große Szene machen können", so Winfrey rückblickend. "Aber wozu?" Sie sieht gelassen aus. Kann über die Situation lachen, gemeinsam mit US-Moderatoren in hell beleuchteten Fernsehstudios. Nicht nur bei Entertainment Tonight, auch in der Talkshow von Larry King erzählt sie die Geschichte. Die Demütigung, die sie in dem Moment vielleicht empfunden haben mag - anzumerken ist sie ihr jedenfalls nicht.
Es ist Winfreys Berühmtheit zu verdanken, dass die nationale Tourismusorganisation des Landes nach Ausstrahlung der Interviews eine Entschuldigung auf Twitter veröffentlichte: "Wir sind stinksauer - diese Person hat sich furchtbar falsch verhalten. Wir entschuldigen uns bei Oprah."
Denn natürlich weiß die Moderatorin: "Das passiert mir nicht, außer jemand weiß offensichtlich nicht, dass ich es bin." Und damit bringt sie das Entscheidende auf den Punkt. Der eigentliche Skandal ist nicht, dass sich jemand weigerte, Oprah Winfrey eine teure Handtasche zu zeigen. Der Skandal ist, dass sich jemand weigerte, einer schwarzen Frau eine teure Handtasche zu zeigen. Dass es sich dabei um die berühmte Unternehmerin handelte, verhilft dem Fall, der sonst wohl nie an die breite Öffentlichkeit gelangt wäre, zu Bekanntheit. Mehr nicht.
Die vorliegende Meldung bezieht sich ausschließlich auf die Schilderungen Oprah Winfreys in den beiden als Quellen genannten Interviews. Im Anschluss daran wurde das Thema auf Süddeutsche.de von mehreren Seiten beleuchtet und auch gegenläufige Meinungen abgebildet. Die Diskussion, ob es sich tatsächlich um Rassismus handelte und die Kritik, die an Winfrey geäußert wurde, wurden hier aufgegriffen. Die Stellungnahme der Verkäuferin wurden in dieser Meldung behandelt.
Linktipp: Erst unlängst war die Schweiz wegen ihres Umgangs mit Zuwanderen in die Kritik geraten, als Bewohnern einer Asylbewerberunterkunft unter anderem der Zugang zu Schwimmbädern und Sportanlagen verboten werden sollte. Lesen Sie hier eine ausführliche Analyse der Asylbewerber-Debatte in der Schweiz von SZ-Korrespondent Wolfgang Koydl.