Süddeutsche Zeitung

Rapper in Auschwitz:"Verstört und betroffen"

Die Rapper Farid Bang und Kollegah ließen sich von einem internationalen Komitee durch die KZ-Gedenkstätte in Auschwitz führen. Was ihren Besuch besonders machte.

Von Martin Zips

Beim Internationalen Auschwitz-Komitee war man sich nicht sicher. Politiker, Nobelpreisträger, Menschenrechtler - sie alle hatten diesen entsetzlichen Ort, wo die Nazis Millionen Menschen ermordeten, bereits besucht. Aber Gangsta-Rapper empfangen? Was sind das eigentlich? "Ich kann mich ganz schwer in deren Denke hineinversetzen", sagt Vizepräsident Christoph Heubner.

Heubner hatte Ende April in der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit dem Musiker Marius Müller-Westernhagen gelesen. Dort hatte Müller-Westernhagen, 69, gefordert: "Für Farid Bang und Kollegah wäre es vielleicht mal gut, wenn man sie durch das Lager Auschwitz-Birkenau führen würde." Aus Empörung über eine Ehrung der Sänger, die für ihre gewaltverherrlichenden, frauenfeindlichen und Holocaust-verharmlosenden Texte bekannt sind, hatte nicht nur Westernhagen zuvor alle seine Echos zurückgegeben. Der Musikpreis wurde kurz darauf abgeschafft.

Am Donnerstag besuchten die Rapper - Bang heißt bürgerlich Farid Hamed El Abdellaoui, Kollegah Felix Blume - tatsächlich die KZ-Gedenkstätte. Das Medieninteresse war gewaltig, auch die New York Times wollte dabei sein. Doch das Internationale Auschwitz-Komitee entschied sich klug und führte die 32 und 37 Jahre alten Musiker nur im ganz kleinen Kreis in die zum Beispiel mit Bergen von Haaren der Ermordeten gefüllten Räume und an den ehemaligen Krematorien vorbei. "Aus Ehrerbietung gegenüber den Opfern und Überlebenden des Holocaust", wie Heubner, 69, betonte. Fotos durfte nur ein vom Komitee beauftragter Fotograf machen.

Für Heubner, der die Rapper begleitete, war klar: "Hier geschieht etwas Beispielhaftes. Es entscheidet sich was." Es gebe nur noch wenige, die aus eigener Anschauung von den Gräueltaten der Nazis berichten könnten, man stehe vor einem Generationenwechsel. Er fordert mehr Engagement der Bundesländer, Schulklassen für eine Reise nach Auschwitz finanziell zu unterstützen.

Die Frage war: Würden die (kommerziell sehr erfolgreichen) Rap-Musik- und Mode-Verkäufer es wagen, etwa aus dem Todestrakt heraus ihren Fans über Facebook was zuzuposten? Sie wagten es nicht. Und doch wird es noch dauern, bis man weiß, ob und was dieser Besuch bei ihnen bewirkt hat. Heubner sagt: "Sie waren verstört und sehr betroffen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4008033
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.06.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.