Raketenmann überquert Ärmelkanal:Yves Düsentrieb

Den Schweizer Yves Rossy hält nichts am Boden. Nun hat er mit Düselflügeln den Ärmelkanal überwunden.

Yves Rossy hat am Freitag mit seinen selbstgebauten Düsenflügeln den Ärmelkanal überwunden. Nach dem Absprung aus einem Propellerflugzeug über Calais zündeten seine Düsen, und er flog über das Meer zum britischen Ufer. Rund zehn Minuten später landete er - an einem Fallschirm zur Erde segelnd - bei Dover. Zahlreiche Schaulustige hatten dort auf den Abenteurer gewartet. Das französische Fernsehen übertrug das Spektakel live.

Rossy; AP

Düsengetriebener Ikarus: Yves Rossy.

(Foto: Foto: AP)

Ursprünglich wollte der Schweizer Pilot bereits am Mittwoch seinen kühnen Flug bestreiten, musste diesen wegen schlechten Wetters jedoch zwei Mal auf Freitag verschieben. Sein mit Kerosin betriebener Flugapparat mit einer Spannweite von zweieinhalb Metern wiegt 55 Kilogramm und erreicht Geschwindigkeiten bis 300 Kilometer pro Stunde. Der Apparat wird mit dem Körper gesteuert, Rossys einzige Instrumente sind der Gashebel und ein Höhenmesser. Im Mai hatte er seine Entwicklung erstmals präsentiert und Loopings über den Alpen gezogen.

Yves Rossy hat zuvor praktisch jedes Fluggerät ausprobiert, das es auf der Welt gibt. Der ehemalige Kampfjetpilot aus der Schweiz will seit Kindertagen seinen "heimlichen Traum verwirklichen, wie Superman zu fliegen".

Inzwischen steht er seinem Idol kaum noch nach: Am Freitag überquerte der 49-jährige Draufgänger mit Flügeln und Düsentriebwerken auf dem Rücken den Ärmelkanal. Den Traum vom Fliegen hat der moderne Ikarus zum Beruf gemacht. Mit 20 wurde er bei der Schweizer Luftwaffe Pilot und holte sich seinen "Kick" durch Flüge in Kampfjets vom Typ Tiger F-5 und Mirage III. Nach dem Militär ging er 1988 als Linienpilot zur Fluggesellschaft Swissair, aus der inzwischen die Lufthansa-Tochter Swiss wurde.

Der Wechsel auf Passagierflugzeuge muss ihm damals wie das Umsteigen von einem Formel-1-Boliden auf einen Omnibus vorgekommen sein. Den Geschwindigkeitsrausch suchte er deshalb fortan beim Fallschirmspringen und Gleiterfliegen.

Rossy wollte dabei immer die Grenzen des Möglichen verschieben: 1991 legte er an einem Tag 1000 Kilometer mit 25 verschiedenen Transportmitteln zu Lande, zu Wasser und in der Luft zurück. Einmal sprang er über dem Genfer See mit Fallschirm und einem kleinen Surfbrett an den Füßen ab, streifte im Flug die Spitze der 130 Meter hohe Fontäne vor der Stadt und wechselte bei der Landung auf dem See nahtlos zum Wasserskifahren.

Jahrelange Arbeit

Doch selbst solche Stunts reichten Rossy, der sich selbst "FusionMan" nennt, auf Dauer nicht. Im freien Fall wollte er nicht einfach nur nach unten rasen, sondern auch steuern. "Die Idee für meinen Flügel war, eine dritte Dimension zu schaffen, also nach oben und zur Seite zu fliegen", sagt er.

Dahinter steckt für ihn der alte Menschheitstraum, sich wie ein Vogel durch die Lüfte zu bewegen. Für seinen Stunt am Freitag sprang er in gut 2000 Metern Höhe aus einem Flugzeug. Zur Orientierung hatte er nur seine Augen. Die Wetterlage ist deshalb außerordentlich wichtig - Grund genug, den Flug in dieser Woche zwei Mal zu verschieben.

Nach der Landung in England umarmtumarmte seine Helfer und ließ sich von einer wartenden Menge feiern. "Das war wirklich der Traum", der wahrgeworden sei, sagte er nach der Landung.

Was so einfach aussah, war die Frucht von jahrelanger Arbeit. Rossy hatte vor einigen Jahren zunächst mit aufblasbaren Flügeln experimentiert, die sich aber als nicht stabil genug erwiesen. Er stieg dann auf Karbonflügel um. Wenn er nicht in der Luft ist, verbringt er seine Zeit in der Werkstatt, um die Teile für sein aufschnallbares "Mini-Flugzeug" herzustellen.

Für ein Privatleben bleibt da kaum noch Zeit. "Ich gehe bei meiner Leidenschaft bis an die Grenze", sagte er vergangenes Jahr. "Das ist für mich die Nummer eins - und Frauen mögen es nicht, Nummer zwei zu sein. So ist das halt." Schon am Montag wird Rossy wieder am Steuer einer Swiss-Maschine sitzen und in einem Charterflug Touristen nach Ägypten bringen. Sein nächster waghalsiger Plan ist aber natürlich längst in Arbeit: ein Flug mit seinen Düsenflügeln durch die Schluchten des Grand Canyon.

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