R. Kelly:Rockstar oder Raubtier

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R. Kelly stellte sich am Freitag den Behörden in Chicago. Der Musiker bestreitet die Vorwürfe. (Foto: Tyler LaRiviere/AP)

Behörden in Chicago erheben Anklage gegen den US-amerikanischen Musiker R. Kelly: Ihm wird vorgeworfen, mehrere minderjährige Frauen sexuell missbraucht zu haben.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist eine Videokassette mit verstörendem Inhalt, die der Anwalt Michael Avenatti vor wenigen Wochen an die Staatsanwaltschaft von Chicago übergeben hat. Das Video ist 42 Minuten und 45 Sekunden lang, offenbar ist der Musiker R. Kelly beim Geschlechtsverkehr mit vier Frauen zu sehen, von denen drei zum Zeitpunkt der Aufnahmen minderjährig gewesen sein sollen - eine soll während der Aufzeichnung insgesamt sechs Mal erklären, dass sie erst 14 Jahre alt sei. Kelly habe die Frauen teilweise zum Sex gezwungen oder Gewalt angedroht, außerdem sollen demütigende Praktiken wie Spucken oder Urinieren zu sehen sein.

Am Freitagabend stellte sich Kelly den Behörden in Chicago, die bei ihren Ermittlungen auch mögliche Opfer und Zeugen befragt, Beweismittel wie ein T-Shirt mit der DNA von Kelly darauf untersucht und nun Anklage in zehn Fällen der sexuellen Körperverletzung erhoben haben - bei einer Verurteilung könnte Kelly für den Rest seines Lebens ins Gefängnis kommen. Am Samstag nannte Richter John Fitzgerald Lyke die Vorwürfe "bestürzend" und legte die Kaution auf insgesamt eine Million Dollar fest. Kelly musste zudem seinen Reisepass abgeben und darf bis auf Weiteres keinen Kontakt zu Minderjährigen sowie allen mutmaßlichen Opfern und Zeugen haben.

Seit mehr als 20 Jahren kursieren diese Vorwürfe: Kelly soll Minderjährige missbraucht haben

"Er ist ein Rockstar. Er muss niemanden zu nicht einvernehmlichem Sex zwingen", sagte Kellys Anwalt Steve Greenberg am Samstag und gab an, dass der offenbar zahlungsunfähige Kelly (dessen Vermögen das Finanzmagazin Forbes einst auf mehr als 150 Millionen Dollar schätzte) versuche, die zu seiner vorübergehenden Freilassung notwendige Summe von 100 000 Dollar zu besorgen, um nicht mehrere Nächte im Gefängnis verbringen zu müssen: "Er ist schockiert, enttäuscht und deprimiert - doch es gilt die Unschuldsvermutung. Diese Frauen lügen. Er wird die Vorwürfe gegen ihn zerstreuen, und wenn es sein muss, jeden einzelnen nacheinander."

Seit mehr als 20 Jahren kursieren diese Vorwürfe gegen Kelly, in der kürzlich veröffentlichten Dokumentarserie "Surviving R. Kelly" erklären zudem mehrere Frauen, dass sie der Musiker in seine Villa gelockt, gefangen gehalten, gequält und missbraucht habe. Es heißt darin auch, dass Kelly Kinderpornografie nicht nur besessen, sondern auch produziert haben soll. Auch seine ehemalige Ehefrau erhebt schlimme Vorwürfe, und Lisa Van Allen, die eigenen Angaben zufolge an der Produktion eines Missbrauchsvideos mit einem damals 14 Jahre alten Mädchen beteiligt gewesen sein soll, sagt in der Dokumentation: "Ich hoffe, dass er endlich aufhört, diese Mädchen zu verletzen."

Kelly ist im Jahr 2008 von vielen dieser Vorwürfe freigesprochen worden, er selbst bestreitet sie - zuletzt im 19-Minuten-Lied mit dem Titel "I Admit", in dem er unter anderem zugibt, pleite zu sein und mit unfassbar vielen Frauen geschlafen zu haben. Er habe jedoch nichts Unrechtes getan, die Vorwürfe seien eine Verschwörung der Neider. Trotz der Vorwürfe gegen sich wollte er bis zuletzt auf Tour gehen, es waren Konzerte in Australien, Sri Lanka und Deutschland geplant. In den USA ist er schon lange nicht mehr aufgetreten, die Stadt Philadelphia erklärte ihn kürzlich sogar per Gesetz zur nicht erwünschten Person.

Derweil hat Anwalt Avenatti, der auch die Pornodarstellerin Stormy Daniels bei ihren Vorwürfen gegen US-Präsident Trump vertritt, am Wochenende angekündigt, ein zweites Video besorgt zu haben und womöglich noch ein drittes bekommen zu können - beide wolle er möglichst bald der Staatsanwaltschaft übergeben: "Das dürfte einen Wendepunkt im Leben des Raubtiers R. Kelly darstellen." Die Anwältin Gloria Allred hat in der vergangenen Woche auf einer Pressekonferenz zwei Frauen vorgestellt, die behaupten, dass Kelly sie als Teenager in den 90er-Jahren mit Alkohol und Marihuana betäubt und anschließend vergewaltigt habe. Die nächste Anhörung soll am 8. März stattfinden.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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