Querelen um Forschungsprojekt:Kirche stoppt Aufklärung des Missbrauchsskandals

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Wer ist schuld am Scheitern des Missbrauchs-Forschungsprojektes? Katholische Kirche und Wissenschaftler sehen einander in der Verantwortung. (Foto: dpa)

Akten aller Diözesen sollten untersucht, Missbrauchsopfer und Täter befragt werden, es sollte die weltweit umfassendste Untersuchung zum Thema werden - doch nun ist sie gescheitert: Katholische Bischöfe beenden das Projekt, das sexuelle Übergriffe von Priestern untersuchen sollte. Forschungsdirektor Pfeiffer wirft der Kirche nun unangemessene Zensur- und Kontrollwünsche vor.

Von Roland Preuß

Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche wird vorerst nicht umfassend aufgeklärt. Das groß angelegte Forschungsprojekt, das Fälle sexueller Übergriffe durch Priester und weitere Kirchenangehörige seit dem Jahr 1945 untersuchen sollte, ist gescheitert.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung will die Kirche den Vertrag über die Aufarbeitung kündigen. Ein entsprechendes Schreiben des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) als Vertreter der Bischöfe soll in diesen Tagen an das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) gehen, welches das Vorhaben im Auftrag der Kirche umsetzen sollte.

Dessen Direktor Christian Pfeiffer erhob schwere Vorwürfe gegen die katholische Kirche. Das Projekt sei "an den Zensur- und Kontrollwünschen der Kirche gescheitert", sagte er der SZ. Entgegen der ursprünglichen Vereinbarung habe die Kirche darauf beharrt, über die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse sowie über die Auswahl der beteiligten Wissenschaftler bestimmen zu dürfen. Die Kirche wies die Vorwürfe zurück und machte ihrerseits das KFN für das Scheitern verantwortlich.

Der Verband der Diözesen und das Forschungsinstitut hatten im Juli 2011 das Projekt vertraglich vereinbart und öffentlich vorgestellt. Laut KFN war es als weltweit umfassendste Untersuchung zu dem Thema angelegt. Akten aller Diözesen sollten teilweise seit Kriegsende auf Missbrauchsfälle untersucht und sämtliche Opfer schriftlich befragt werden. Zudem waren vertiefende Interviews mit Opfern und Tätern vorgesehen.

Hinweise auf Aktenvernichtungen

Nach Kritik aus den Reihen der Priester, aber auch von Bischöfen forderte der VDD allerdings Änderungen an den Vereinbarungen. Nach einem Vertragsentwurf des VDD vom Mai vergangenen Jahres hätte die Kirche tatsächlich letztlich darüber bestimmen können, ob die Ergebnisse veröffentlicht werden oder nie bekannt werden. Davon wären auch Doktor- und Habilitationsarbeiten betroffen gewesen, die generell publiziert werden müssen, um den Titel zu erlangen.

Ein weiterer Entwurf vom Juni 2012 sah vor, dass die Kirche ein Veto einlegen kann gegen die Anstellung neuer Forscher für das Projekt, wenn auch nur "aus wichtigem Grund". Pfeiffer kritisierte, dies sei "unvereinbar mit der Freiheit wissenschaftlicher Forschung". Zudem liegen Pfeiffer laut einem Brief an die Bischöfe Hinweise aus der Kirche vor, dass in mehreren Diözesen Missbrauchsakten vernichtet worden seien. Die Anfrage an die Bischöfe sei nie beantwortet worden.

Der VDD-Vorsitzende Hans Langendörfer widersprach dieser Darstellung. "Für eine Vernichtung von Täterakten habe ich keinerlei Anhaltspunkte", sagte er. Das Projekt sei unter anderem an offenen Fragen des Datenschutzes gescheitert, etwa wie man personenbezogene Daten von Opfern und Tätern anonymisiere. Die Kirche habe sich beim Streitpunkt Veröffentlichung der Ergebnisse kompromissbereit gezeigt, sagte Langendörfer. Inzwischen sei das Vertrauensverhältnis zu Pfeiffer jedoch "zerrüttet".

© SZ vom 09.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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